Leseprobe
(1) Der Kebab
Hinter der Kleinstadt war ein Dorf, hinter dem Dorf war ein Bauernhof, hinter dem Bauernhof war eine Hütte, hinter der Hütte war ein Wald, und hinter dem Wald war eine Millionenstadt, die an
einem Fluss lag.
Die Millionenstadt war Wien, der Fluss war die Donau, und der Bert war der Bert. Müde und angefressen hatte er an diesem Nachmittag seinen Arbeitsplatz verlassen und marschierte nun zum
Imbissstand, um sich dort anzufressen. Sein großer Bertbauch verlangte nach fettigen Fleischabfällen, deswegen bestellte er einen Kebab. Und als er da so saß und schmatzte und bei jedem Bissen
ein Stück Fleisch oder eine Zwiebel oder ein Paradeiser auf den Boden fiel, wurden ihm sein Misserfolg in der Arbeit und die Sinnlosigkeit seiner Existenz bewusst und er begann zu schluchzen.
Hu-hu-hu, weinte der Bert, während ihm die Sauce auf die abgewetzte Berthose tropfte.
Der Bert hatte auch beruflich mit Fleischabfällen zu tun. Er arbeitete gegenbertig in der Schnitzelproduktions GmbH & Co KG und fuhr dort mit einer Straßenwalze Rinder platt. Ein gutes
Schnitzel hängt über den Tellerrand, ein exzellentes Schnitzel hängt folglich über den ganzen Tisch, und deshalb erfreuten sich die Riesenschnitzel der Schnitzelproduktions GmbH & Co KG in
der Gastronomie von Wien und anderswo großer Beliebtheit.
Der Bert fuhr den ganzen Tag wahnsinnig schnell mit der Straßenwalze im Kreis und versuchte, eine Kuh zu überfahren. Meistens war er erfolglos, was den Schnitzelpreis in Wien und anderswo erhöhte
und die Sättigung des Marktes wie auch der Schnitzelgäste in Wien und anderswo erschwerte.
An diesem Tag war überhaupt nur eine Kuh zur Arbeit erschienen. Sie hatte sich in die Mitte der Schnitzelproduktionshalle gestellt und der Bert war den ganzen Tag mit seiner Straßenwalze
rundherum gefahren. Als die Kuh ihren Arbeitstag nach acht Stunden pünktlich beendete und auf die Weide zurückkehrte, war der Bert ein dickes, schwitzendes Häufchen Elend.
Er verließ also die Schnitzelarena, verzehrte einen Kebab mit Flachsen und packte auch seiner Oma noch eine Portion ein. Dann ging er von dannen, das gelbgrün karierte Berthemd oben, wo ihm
besonders heiß war und unten, wo der Bertbauch auf zusätzlichen Platz angewiesen war, weit offen. Unterwegs musste er die Polizwei beiseitestoßen, die es sich mitten auf dem Gehsteig gemütlich
gemacht hatte. „Grüß Gott, grüß Gott“, sagte die Polizwei. „Würden Sie sich bitte das Hemd zuknöpfen? In dieser Stadt herrschen Sitte und Anstand. Sitte und Anstand herrschen in dieser Stadt!“
Der Bert tat, wie ihm geheißen wurde, und stiefelte zu seiner Oma.
Die Bert-Oma, die in einem altrosa Rüschenkleid steckte, erwartete ihren schweiß- und tränenüberströmten Enkel an der Haustür und führte ihn, weil er vor Schweiß und Tränen nichts mehr sehen
konnte, in die gute Stube, wo er auf dem Blümchensofa zusammenbrach (Das Blümchensofa brach ebenfalls zusammen). „Mein lieber guter Junge“, sagte die Bert-Oma, während sie ihm zärtlich über die
schwarzen Berthaare, die nass am runden roten Bertkopf klebten, und über sein Doppelkinn strich. „Du bist mein lieber guter Junge.“
(2) Die Moorhühner
Johann Nepomuk Blasius saß am Computer und tötete Moorhühner. Klaus-Dieter aus Wanne-Eickel saß am Computer und töte Johann Nepomuk Blasius‘ Nerven.
„Ja nee, Johann“, sagte er gerade. „Den kennste noch nicht, pass ma auf: Wenn drei Moorhühner auf einer Stromleitung sitzen und ich eines erschieße, wie viele sitzen noch da?“
„Zwei“, sagte Johann Nepomuk Blasius streng, während Klaus-Dieter aus Wanne-Eickel sich die ungewaschenen Pranken rieb und voll Vorfreude kicherte.
„Falsch!“, grölte Klaus-Dieter aus Wanne-Eickel und trommelte mit den Fäusten auf die Tastatur, wobei er dutzenden Moorhühnern den Garaus machte. „GAR KEINES! Weil die anderen WEGGEFLOGEN sind.
HAHAHAHAHAHA.“ Damit kippte er vom Sessel und röhrte auf dem Boden weiter.
Johann Nepomuk Blasius ignorierte seinen Freund. Klaus-Dieter aus Wanne-Eickel war zwar mindestens viermal so alt wie er, dafür aber auch mindestens viermal so dämlich. Johann Nepomuk Blasius
kratzte ein wenig an dem Pickel herum, der in dem ungewöhnlich schmalen Zwischenraum zwischen den hässlichen gelben Augen wohnte, dann versank seine kleine, krumme Gestalt wieder in dem großen
Drehsessel. Seine magere Kralle umschloss wieder die Computermaus und er machte sich daran, die übrig gebliebenen Moorhühner auszurotten. „Peng, peng“, sagte er, während die kleinen Augen, die
wirklich nicht schön anzusehen waren, hinter der Brille zuckten und sich der schiefe Mund, in dem ein paar schiefe Zähne ihr Dasein fristeten, allmählich zu einem diabolischen Grinsen verzog.
(Und die Augenbrauen!!! Hat man sowas schon gesehen? Wie eine Drahtbürste, einfach nur ekelhaft!)
„Peng, peng“, sagte Johann Nepomuk Blasius zufrieden, während sich Klaus-Dieter auf dem Boden selbst ein paar Witze erzählte. „Peng, peng. So, noch ein … NEEEEEIN, nicht schon wieder. Du
verdammter Drecks-Computer!“ Er versetzte seinem Rechner und Klaus-Dieter aus Wanne-Eickel einen Tritt, damit dieser ihm zuhörte, und fluchte: „Der Scheiß-Computer hängt sich schon wieder auf.“
Und in der Tat erklomm seine frustrierte Rechenmaschine das Bücherregal, knüpfte aus einem Kabel eine Schlinge und baumelte dann traurig von der Zimmerdecke.
In der nächsten Sekunde flog mit einem Knall die Tür auf und die Johann-Nepomuk-Blasius-Oma stand im Zimmer, in ein weißes Nachthemd gehüllt. „Was sagst du da für Wörter?“, zeterte sie. „Du
dreckiger kleiner Wicht! Kein Wunder, dass deine Eltern dich aussetzen wollten. Du bist ein garstiger kleiner Junge!“
(3) Die großartige Idee
Der Bert und die Bert-Oma saßen auf dem eingestürzten Blümchensofa und verzehrten gemeinsam den Oma-Kebab mit Flachsen. Der Bert biss auf der linken Seite ab, die Bert-Oma versenkte ihren letzten
Zahn auf der rechten Seite in das Gammelfleisch. Die Stille wurde nur alle fünf Minuten unterbrochen, wenn der Bert „yeah“ oder „geil“ oder „nice“ sagte. Als er aufgegessen hatte, legte er den
dicken Bertkopf genussvoll in den gepolsterten Nacken, sperrte seinen Mund auf und rülpste laut. „Yeah“, sagte der Bert.
Die Bert-Oma tätschelte die dicke Pranke ihres Berts, dann versuchte sie, sich von ihrem kaputten Lieblingssofa zu erheben, um ihrem Lieblingsenkel noch einen Gaugau zu machen. „Au!“, schrie die
Bert-Oma. „Mein Knie!“ Mühsam bugsierte sie sich in die Vertikale und humpelte zum Kasten, um das Lieblingsgaugauheferl ihres Berts zu suchen. „Oma“, fragte der Bert unvermittelt, „wie alt bist
du eigentlich?“
Seine Großmutter versetzte ihm einen bedeutungsschwangeren Blick und fuhr sich mit der faltigen Hand über die schlohweißen Haare. „Schon über 100“, sagte sie stolz.
„Oh mein Gott“, sagte der Bert. „Dann musst du ja bald sterben!“
Die alte Frau grinste verschmitzt, nickte vielsagend, errötete ein wenig und zupfte strahlend und verschämt an ihrem Rüschenkleid.
„NEIN, Oma!“, heulte der Bert los, während sich Sturzbäche aus seinen Augen ergossen. „Du darfst nicht sterben! Ich brauche dich doch!“
Die alte Dame setzte sich zu ihm und patschte mit den dünnen weißen Fingern begütigend auf die in Schweinchenrosa gehaltene Bert-Pranke. „Ich bin ja noch da, du dicker Dummkopf.“
Sie schwieg eine Minute, dann hielt sie jäh inne, reckte trotzig den Kopf in die Höhe, und schließlich brach es aus ihr heraus: „Aber gestern hat mein Knie wehgetan! Und meine Hände sind manchmal
ganz zittrig!“ Sie wackelte mit dem Gaugauheferl, um ihre Gebrechlichkeit zu beweisen, was das Rüschenkleid, das lieber Wasser trank als Gaugau, nicht überlebte, dann sank sie matt auf das
Blümchensofa zurück.
Der Bert dachte. Er dachte sogar nach und dabei fiel ihm ein, dass er immer ein gutes Verhältnis zu seiner Oma gehabt hatte. Sie hatte ihn stets „mein lieber guter Junge“ genannt und „mein
prächtiges Enkelkind“, weil er so dick war, und Geld für Süßigkeiten, Kebab und zuckerhaltige Erfrischungsgetränke hatte er auch von ihr bekommen. Fernsehen durfte er solange er wollte und für
die Körperpflege musste er, wenn er bei seiner Oma war, ebenfalls keine Zeit verschwenden. Seine Kindheit war eine überaus glückliche gewesen.
Wir dürfen auch nicht vergessen, dass der Bert eine deutlich ausgeprägte soziale Ader hatte, er unterstützte sogar ein Kinderhilfsprojekt im Burgenland. Und Geld für Süßigkeiten, Kebab und
zuckerhaltige Erfrischungsgetränke konnte er, solange auf die Rindviecher in der Schnitzelproduktions GmbH & Co KG kein Verlass war, ebenfalls gut brauchen. Eine tote Bert-Oma interessierte
den Bert also ungefähr minus drei. Er rieb sich die fleischige Denkerstirn, dann versetzte er seinem Knie einen Schlag mit dem Gaugauheferl, den dieses nicht überlebte, und erklärte seiner
Großmutter: „Ich werde dich retten, Oma. Ich habe da eine großartige Idee!“
(4) Die ganz großartige Idee
„Halt’s Maul, Oma“, sagte Johann Nepomuk Blasius. Er mochte keine alten Frauen, weil sie ihn ans Sterben erinnerten.
„Ja ne, Alde, mach dich ma vom Acker“, pflichtete ihm Klaus-Dieter aus Wanne-Eickel bei, nur, um sie im nächsten Augenblick zurückzupfeifen: „Nee, warte Alde, kennste den? Laufen zwei Bockwürste
eine Treppe hoch, und als sie oben sind, stellen se fest, DASS SIE KEINE BEINE HABEN. MUAHAHAHAHA!“ Er kippte wieder auf den Boden.
Die Johann-Nepomuk-Blasius-Oma kannte den noch nicht, aber ihr wurde ein wenig schlecht, als sie sah, dass Klaus-Dieter aus Wanne-Eickel beim Witze-Erzählen auf ihren schönen Boden sabberte.
Dann stellte sie ihren Enkel zur Rede und erklärte ihm, dass sie ihn beim nächsten unangebrachten Wort mitsamt seinen Moorhühnern an einer Autobahnraststation aussetzen würde.
Johann Nepomuk Blasius hatte immer ein schlechtes Verhältnis zu seiner Oma gehabt. Begonnen hatte es im Kindergarten, als sie ihm die Wange getätschelt und ihn „mein süßes kleines Mäuschen“
genannt hatte, während sein coolster Freund (Klaus-Dieter aus Wanne-Eickel) danebengestanden war.
Danach hatte er seine Oma längere Zeit gemieden, und als er, weil ihn seine Eltern dazu zwangen, wieder bei ihr vorstellig wurde, empfing sie ihn mit: „Du bist ja schon soooooo groß! Gehst du
schon in den Kindergarten, mein süßer Kleiner?“ Da war Nepomuk 14 Jahre alt gewesen und hatte gerade seinen ersten Killervirus programmiert.
Dann hatten ihn seine Eltern (Wer kann es ihnen verdenken) ausgesetzt, und die Oma hatte ihr süßes Mäuschen bei sich aufgenommen. Da saß er nun in der Mausefalle und zeigte seiner Oma, dass er
kein süßes Mäuschen war.
Die Oma sah auch eher sauer drein als süß, als sie mit brüchiger Stimme, um sein Mitleid und das von Klaus-Dieter aus Wanne-Eickel zu erregen, weiterzeterte: „So krank bin ich, sterben könnte ich
jeden Moment, und der garstige kleine Rotzlöffel will einfach nicht erwachsen werden und spielt den ganzen Tag am Computer. Eine Schande ist das! Ausgesetzt gehörst du, du frecher Bengel!“
Jetzt reichte es endgültig. Einen kurzen Moment lang überlegte Johann Nepomuk Blasius, ob er ein Spiel programmieren sollte, bei dem er die Moorhühner durch Omas in weißen Nachthemden ersetzte,
doch dann fiel sein Blick auf einen Kampfroboter, den er aus Lego gebaut hatte, und er fuhr sich mit der gespaltenen Zunge über die widerlich fahlen Lippen. Er hatte da eine ganz großartige
Idee!
(5) Das Kaffeekränzchen
„Herzlich willkommen“, strahlte die Herta-Oma und stützte sich auf ihre Krücke. „Herzlich willkommen, ihr alten Schreckschrauben!“
Die Bert-Oma und die Resi-Tante lächelten huldvoll und ließen sich auf die letzten freien Sessel nieder. Bei der Resi-Tante knarrte es ein wenig. „Au!“, entfuhr es ihr, dann griff sie nach einem
Keks und schenkte sich Kaffee ein.
Die Herta-Oma zwickte ein wenig die Augen zusammen. „Jaja, das Alter“, sagte sie.
„Ja“, schaltete sich die Kunigunde ein und bleckte ihre Wackelzähne. „Das Alter macht vor keinem Halt. Vor allem nicht vor mir!“
„Was willst du damit sagen?“, giftete die Waltraud (noch so eine Wackelkandidatin).
„Ich will damit sagen, dass es vielleicht bald aus ist mit mir!“, feuerte die Kunigunde zurück.
„Ach ja?“ „Ach ja!“
„Na, das werden wir ja sehen!“, fauchte die Waltraud. „Ich für meinen Teil habe nämlich eine kaputte Hüfte!“
„Lächerlich“, winkte die Kunigunde ab und lächelte mitleidig. „Ich benütze ein Hörgerät! Und meine Blutwerte geben Anlass zu größter Besorgnis, hat mein Arzt gesagt!“
„Das hättest du wohl gerne, du alte Blutsaugerin“, schimpfte die Mitzi-Tant und nippte an ihrem Kaffee. „Mein Arzt sagt, ich habe höchstens noch sechs Monate!“
„Vier Monate!“, kreischte die Gerti vom anderen Ende des Tisches. „Ich sterbe schon in vier Monaten!“
„Ich mache Urlaub in Afrika!“, jubelte die Herta. „Dort infiziere ich mich mit Ebola!“
„Ebola?“, kreischte die Gerti. „Ich springe einfach aus dem Fenster!“
Sie sprang auf, wurde jedoch von der Herta-Oma und von der Berta-Oma an den Ärmeln ihres Rüschenkleides zurückgehalten und zurück in ihren Sessel gestopft.
Die Bert-Oma hatte sich zurückgehalten, denn sie wusste, dass sie dieses Rennen gewinnen würde. Sie litt bereits seit vielen Jahren an chronischer Hypochondrie, dazu kamen das schmerzende Knie,
die zittrigen Hände und das Muttermal auf ihrer Wange. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie an ihrem ultimativen Ziel angelangt war: Sie wollte ihre Freundinnen mit einem spektakulären Tod
aus den Wollsocken hauen.
(6) Der Wirkstoff
„Oma“, sprach der Bert, „ich weiß, wie ich dich wieder gesund machen kann!“
Damit bestieg er seinen Lambertini und fuhr an die Donau. Er wusste über die Vorzüge der Homöopathie Bescheid, und weil die Krankheit seiner Oma hochgefährlich war, entschied er sich für eine
Hochpotenz: Er warf ein Molekül eines Hustenzuckerls in die Alte Donau und schickte dann einen Brief nach Japan mit der Bitte, das verdünnte Molekül in zwei Monaten mit einem Netz aus dem
Pazifischen Ozean zu fischen. In den Umschlag, auf den er in krakeligen Lettern „Japan“ schrieb, steckte er einen kleineren Umschlag mit dem Aufdruck „Porto zahlt der Berto“. So wichtig war die
Bert-Oma für ihren Enkel!
Auf dem Rückweg traf der Bert die Polizwei. „Grüß Gott, grüß Gott“, sagte die Polizwei. „Bleiben Sie sofort stehen. Bleiben Sie sofort stehen! Sie werden dringend verdächtigt, ein Rauschmittel zu
konsumieren. Wir verdächtigen Sie dringend des Rauschmittelverdachts!“
„Ich lutsche ein Hustenzuckerl“, murrte der Bert.
„Soso“, sagte die Polizwei. „Wir machen jetzt einen Zuckertest, Sie Rabauke. Steigen Sie jetzt bitte aus Ihrem Wagen. Verlassen Sie bitte umgehend Ihren Wagen.“
Widerwillig entblößte der Bert seinen Oberarm. Der Bert-Obertarm sah aus wie ein Ofenrohr, war allerdings im Gegensatz zu den meisten anderen Ofenrohren ziemlich gut gepolstert.
Die Polizwei zog eine Spritze auf und dann zog sie noch eine Spritze auf. „Ihr Blutzuckerwert ist viel zu hoch“, sagte die Polizwei. „Ihr Blutzuckerwert übersteigt die zuverlässige Grenze bei
weitem.“
„Ich bin ein Diabertiker“ schwindelte der Bert. „Das ist natürlich etwas anderes“, sagte die Polizwei. „Dann gute Fahrt. Wir wünschen Ihnen eine gute Fahrt.“
„Vielleicht hat er uns angelogen“, sagte die Polizwei. „Vielleicht ist er ein verdammter Lügner. Das wäre unerhört. In hohem Maße unerhört wäre eine solche Lüge.“
Der Zuckerspiegel des Berts war durch die von der Polizwei verursachte Zwangszuckerpause mittlerweile gefährlich niedrig, also blieb er bei einer Abertheke stehen und holte sich noch einige
Hustenbonbons und ein Kilo Feinkristallzucker. Und ehe er sich’s versah, ward sein Wohlbefinden wieder hergestellt.
Der Bert war nicht die hellste Kerze am Christbaum, aber den Zusammenhang zwischen dem Feinkristallzucker und den Endorphinen, die glücklich in seinem Kopf herumschwammen, begriff er sofort.
Jetzt musste er nur noch dem Wirkstoff auf die Schliche kommen. Er parkte den Lambertini vor dem Haus seiner Oma, massierte seine Denkerstirn und machte sich an die Analyse. Die Zutatenliste
verstand der Bert, weil er nicht der hellste Blitz am Nachthimmel war, nicht sofort, er musste sie erst interbertieren. Bei der Interbertation stellte er fest: Ein Kilo Feinkristallzucker enthält
ein Kilo Zucker. Diese Erkenntnis und das Kilo Feinkristallzucker, das er während der Analyse gelöffelt hatte, machten den Bert glücklich, und die Aussicht auf baldige Linderung für seine Oma
steigerte seine Glücksgefühle ins Unermessliche, sodass er vor Aufregung einen fahren ließ. „Yeah“, sagte der Bert und furzte noch einmal.
Er vergegenbertigte sich seine Verantwortung für seine arme alte Großmutter, dann ging er zuckerhaltige Erfrischungsgetränke und ein Kilo Feinkristallzucker kaufen.
(7) Die Heilung
Die Bert-Oma hatte sich getäuscht, denn der Preis für das erste Rendezvous mit dem Tod ging an die Oma von Johann Nepomuk Blasius.
Angefangen hatte es an jenem verhängnisvollen Abend mit den Moorhühnern. Die Johann-Nepomuk-Blasius-Oma wollte nach ihrem Enkel treten, entschied sich jedoch in der allerletzten Sekunde dafür,
stattdessen Klaus-Dieter aus Wanne-Eickel zu zermalmen, und deshalb trat sie genau in die Mitte, nämlich auf besagten Lego-Kampfroboter, der dabei das Gleichgewicht verlor.
Man versah die alte Dame also mit einem neuen Knie aus Metall und montierte ihr, als sie dieses mitsamt dem Rest ihrer Füße bei einem Autounfall wieder verlor, zwei künstliche Beine. Wochen
später geriet die Alte mit den Fingern in eine Kreissäge, und während man noch an ihren neuen Metallkrallen bastelte, ging sie in den Tierpark. Dort verwechselte ein Krokodil die alte Dame mit
einem Leckerbissen und riss ihr die Arme ab. Dem Krokodil wurde entsetzlich übel, und die alte Schachtel erhielt zwei silberglänzende Armprothesen. Aus lauter Freude über die neuen Silberarme
legte sie einen Bauchtanz hin, wobei ihre Hüfte zersplitterte. Als auch diese aus Metall war, trat die Greisin auf eine Bananenschale, fiel aufs Hirn und war tot.
An dieser Stelle kam Johann Nepomuk Blasius wieder ins Spiel. Sein Lego-Kampfroboter war kaputt, und er brauchte einen neuen. Er versuchte also zunächst, die alte Dame mit Elektroschocks wieder
aufzuwecken, und als das nichts half, plünderte er den Werkzeugkoffer, mit dem sie dann und wann ihre Metallteile gewartet hatte, schlich sich in der Nacht vor dem Begräbnis in die
Aufbahrungshalle und verkabelte seine Großmutter mit einer Festplatte. Auf der Festplatte befanden sich die neuesten Killerspiele (Dafür hatte er also sein Taschengeld ausgegeben, der
Lausebengel!) und ein Programm, das selbige automatisch aktivierte, als Johann Nepomuk Blasius seine Oma samt Festplatte unter Strom setzte.
Die Alte ging vertikal in die Luft, klebte ein paar Sekunden lang an der Decke und tropfte dann zurück auf den Boden, wo sie einen Kampfschrei ausstieß und ihren Sarg mit einem einzigen
Karateschlag zu Kleinholz verarbeitete. Dann riss sie sich die Kabel aus der Nase, was zu einem Kurzschluss und in weiterer Folge zu einer Nasenprothese führte. Aber sie lebte wieder.
Die Johann-Nepomuk-Blasius-Oma wurde nach drei Tagen für geheilt erklärt und von der Aufbahrungshalle nach Hause entlassen. Dort hob sie ihren stufenlos verstellbaren Arm, ballte die Metallfinger
zur Metallfaust und versetzte ihrem Enkel einen Blick, mit dem man einen ganzen Indianerstamm ausrotten kann.
„Arrrr“, sagte die Johann-Nepomuk-Blasius-Oma. „Ich werde sofort die Weltherrschaft an mich reißen.“
In diesem Augenblick stolperte Klaus-Dieter aus Wanne-Eickel über ihr Kabel und das Licht ging aus.
(8) Die Frittatensuppe
Wieder war eine Nacht vergangen, wieder war der ersehnte Tod nicht eingetreten. Schlecht gelaunt schlurfte die Bert-Oma aus ihrem Kämmerlein, goss Milch in eine Schüssel für die Gadse und hängte
für die Motten eine alte Strumpfhose über die Klotür. Dann kochte sie einen Gaugau für ihren lieben Bert.
Der Bert hatte auch etwas für seine liebe Oma. Er platzierte einige Zuckerwürfel auf dem zentralen Polster seiner dicken Handfläche, machte die Hand so flach wie möglich und bewegte sie
vorsichtig in Richtung des letzten Zahnes seiner Großmutter. Die Bert-Oma blähte ihre Nüstern und untersuchte das Leckerli mit ihrer großen Nase, der Bert zog erschrocken die Hand zurück. Dann
schnaubte sie ungeduldig, stampfte mit dem Fuß auf und richtete ihren Blick auf den Boden, als ob sie lieber dort unten grasen wollte.
„Oma“, rief der Bert erschüttert. „Nimm den Zucker! Das wird dich wieder gesund machen!“ „Gesund machen willst du mich?“, fauchte die Bert-Oma. „Ist das der Dank dafür, dass ich dir einen Gaugau
gegocht habe? Lass mich in Frieden sterben, du undankbarer Schlingel!“
„Bitte wos?“, emberte sich der Bert empört. „Oma, du musst jetzt noch nicht sterben.“ Er dachte einige Sekunden angestrengt nach, dann warf er einen Blick auf ihren Blumenrock und säuselte: „Du
stehst in der Blüte deines Lebens.“
„Ich liege lieber im Blute meines Sterbens“, zischte die Bert-Oma und machte sich an ihrem alten Eisenherd zu schaffen. Die Aufnahme eines Frühstücks verweigerte sie, weil sie sterben wollte,
hartnäckig, und da beschloss der besorgte Bert, sie den restlichen Tag lang nicht mehr aus den Augen zu lassen. Eine tote Bert-Oma erzielte auf der Bert-Skala von 0 bis 10 exakt minus 23 Punkte.
Voller Entsetzen musste der Bert mit ansehen, wie seine Oma die versuchte Kontaktaufnahme durch ihre schnurrende Miezegadse unterband, in der lautstark geäußerten Hoffnung, ohne eine emotionale
Komponente in ihrem Leben auf der Stelle zu verwahrlosen und einzugehen. Doch als sie sich beim Kochen für ihren Bert in den Finger schnitt, träumte sie, dass das Blut nur so spritzte, und da
seufzte sie glücklich.
Der Bert, der in helleren Momenten (Diese gab es zumindest theoretisch) sofort nach einem Pflaster gerannt wäre, konnte seiner Oma nicht helfen, denn er träumte gerade seinen täglichen
Vor-dem-Essen-Traum. Diesmal träumte er von einer großen Frittatensuppe.
Genauer gesagt war es ein riesiges Fass mit warmer, köstlicher Frittatensuppe von seiner Oma, das da pfeilschnell die Straße hinunterrollte. Der Bert rollte japsend hinterher und flehte: „Bitte
nicht kalt werden, bitte nicht kalt werden, liebe Frittatensuppe!“
Da überholte ihn von hinten eine unerfreuliche Gestalt. Es war, wie sich herausstellte, Klaus-Dieter aus Wanne-Eickel, und er sah irgendwie bedrohlich aus. Er öffnete seinen großen Mund, und dann
brüllte er gar fürchterlich: „Ja ne, mein Junge, det is keine Frittatensuppe! Det ist eine Pfannkuchenschnibbelbrühe! Hörst du wohl, Digga, nee?“
„Neee“, weinte der Bert verzweifelt, „ich meine, nein. Das ist doch meine gute, schöne Frittatensuppe, die da rollt!“ „Pfannkuchenschnibbelbrühe heißt det, mein Sssssohn!“, grölte Klaus-Dieter
aus Wanne-Eickel. „Oder willste lieber Aprikosenklöße?“
„Gnade!“, schluchzte der Bert und rannte seinem Fass hinterher. „Aprikosenklöße!“, johlte Klaus-Dieter aus Wanne-Eickel von hinten. „Oder Fritten! Dicke fette Fritten mit Mayo und Schnitzel mit
Tunke!“
„Bitte aufhören!“, winselte der Bert und war nun völlig haltlos, sodass er sich dreimal überschlug und zuckend auf dem Asphalt liegen blieb.
„Frikadellen!“, brüllte ihm Klaus-Dieter aus Wanne-Eickel ins Ohr. „Buletten! Schrüppen! Blumkohl! HAAAAHAHAHAHAHA!“ Das Gelächter wurde ohrenbetäubend und der Bert sah gerade noch, wie sich die
Frittaten in schleimige Tentakel verwandelten, dann stürzte das Fass in eine tiefe Schlucht und der Bert wachte auf und schrie um Hilfe.
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Klappentext:
Die moderne Wiener Medizin und Johann Nepomuk Blasius haben es geschafft: Der Tod ist abgeschafft und alte Frauen müssen nicht mehr sterben – aber sie würden doch so gerne! Während die alten Damen alles versuchen, um dem Tod KEIN Schnippchen zu schlagen, setzen ihre Enkel alles daran, die weltweite Oma-Population ins Unerträgliche zu steigern und schrecken dabei weder vor homöopathischen Wundermitteln noch vor dem Einsatz der neuesten intergalaktischen Technologien zurück. Ein ungleicher Kampf beginnt.
Danke fürs Lesen!!!