Ich mag Zugfahren lieber als Fliegen, aber je nach Destination gibts keine Alternative. Dann sitze ich angeschnallt im Flugzeug, langweile mich und studiere meine Mitreisenden. Wenn alle ihr Parfum und ihre Zigaretten gekauft haben, kommt der große Moment der Essensausgabe. Das Essen ist im Flugzeug das Wichtigste! Die Leute sind bereit, für ein altes Sandwich und einen kleinen Plastikbecher mit Orangensaft (Die allerärgsten Leute bestellen Tomatensaft) ein teureres Ticket zu kaufen. So eine Kundenverhöhnung nennt sich bei den billigen Fluglinien „Smart-Tarif“. Und weil alle so smart sind, wollen, wenn das Flugzeug gelandet ist, alle als Erster aussteigen.
Zu diesem Zweck empfiehlt es sich, lange, bevor die Tür aufgeht, aufzustehen. Wenn man dann, weil man am Fenster und damit unterhalb der Gepäckablage sitzt, nicht den nötigen Freiraum hat, wird
eben der Kopf schiefgehalten. Zehn Minuten lang, wenns sein muss. Man zeigt Flagge und beweist den anderen Passagieren, dass man es eilig hat und hochgradig motiviert ist. Auch, wenn man sich auf
einem Fensterplatz in der Flugzeugmitte befindet, infolgedessen ohnehin als Letzter den Flieger verlässt und für diese Demonstration zehn Minuten lang den Kopf schiefhalten muss. Touristen im
Flugzeug sind unnötig.
In anderen Verkehrsmitteln sind sie manchmal noch schlimmer. Ich erinnere mich mit Schrecken an den Abend auf einer kurdischen Eisenbahnfähre, als in einem benachbarten Bereich des Schiffes
plötzlich laute Musik ertönte. Das Gejubel ließ ein kurdisches Volksfest vermuten, also näherte ich mich der Szene. Und was musste ich im nächsten Moment mitansehen? Den völlig enthemmten Tanz
einer deutschen Touristin.
Peinliche deutsche Touristen sind mir allerdings immer noch lieber als Pauschaltouristen, die zwei Wochen lang ans Ende der Welt reisen, dort angekommen dann genau zwei Stunden Zeit haben, die
Hälfte davon mit Essen verbringen und dann mit großen Augen zuschauen, wie eine Volkstanzgruppe einen im ganzen Land unbekannten Tanz aus dem 17. Jahrhundert wiederbelebt. „Die sind alle
traditionell angezogen und tanzen die ganze Zeit“, wird das Leben in fernen Ländern von diesen Touristen alsdann präzise zusammengefasst.
Städte-Touristen sind auch nicht besser. Die jämmerlichsten Figuren unter den Städte-Touristen sind die Selfiestick-Benützer. Posen ist gefragt! Der eigene Kopf vor dem rußgeschwärzten Kölner
Dom, im Drahtkäfig am Eiffelturm in Paris oder vor irgendeinem dreckigen Gewässer. Es gibt nichts Schöneres, und an jedem dieser Orte braucht man natürlich mehrere Fotos von sich selbst: Einmal
lachend, einmal mit herausgestreckter Zunge, einmal komisch und einmal mit dummer Fratze. Endlich kann man sich ordentlich in Szene setzen, und die 17.000 Fotos schaut man sich dann zuhause kein
einziges Mal an.
Am allerschlimmsten sind wohl die Strandtouristen. Ich hab mich noch nie selbst in einem klassischen südeuropäischen Strandhotel einquartiert, und wenn ich die Geschichten aus diesen Hotels höre,
nehme ich mir vor, dass das auch so bleibt. Da ist von Mitteleuropäern die Rede, die in der Früh zum italienischen oder griechischen Hotelpool gehen, ihre Badetücher auf die bevorzugten Liegen in
der ersten Reihe legen und dann noch einmal eine Runde schlafen gehen. Von Dauerlärm ist die Rede und von All-you-can-eat-Leberkäsesemmeln – in der Türkei, wohl gemerkt. Darin besteht also die
Essenz eines Strandurlaubs im Süden: Liegen am Pool reservieren, dasselbe Essen wie zuhause essen und möglichst viel Krach machen.
Was meine Bekanntschaften mit anderen Touristen betrifft: Ich bin da nicht wählerisch und gehe allen gleichermaßen aus dem Weg. Na, Scherz, ab und zu tausch ich mich ganz gerne aus. Wobei ich
auch gegen gleichaltrige Reisende abhängig von deren Äußerem bestimmte Vorurteile hege. Die meisten Weltreisenden in meinem Alter legen nämlich großen Wert auf Individualität und schauen daher
alle gleich aus: Sie haben Dreadlocks, Tätowierungen und orientalisch anmutende Hosen, die ausschauen, als ob sie sich ange******en hätten. Alle sind uniform unkonform und zelebrieren ihre
absolut identische Andersartigkeit. Genauso originell sind die Gespräche, die man mit ihnen führt: „Hey man, whereyafrom?“ – „Austria, how about you?“ – „Australia? Awesome!“ Ach ja, bevor ichs
vergesse: Von deutschen Touristen in Funktionskleidung sollte man sich ebenfalls lieber fernhalten.
Warum Menschen so blöd sein müssen, wenn sie woanders sind, weiß ich nicht. Manche von ihnen sind zuhause wohl genauso unnötig. Was bleibt, sind Reiseziele abseits des Mainstreams und unser
Ferienhaus in einer wenig touristischen Ecke der Steiermark. Dort ist man als „Wiener“ so etwas wie ein bunter Hund, wird aber, da man sich zu benehmen weiß, freundlich gegrüßt, und die
Volkstänze, wenn sie denn einmal aufgeführt werden, dienen der Belustigung der eigenen Freunde und Nachbarn. Keiner hat einen Fotoapparat dabei und keiner hat das Gefühl, ein exotisches Tier in
einem Zoo sein zu müssen. Das Ereignis wird mit großen Alkoholmengen gefeiert und anschließend vergessen. Genau so gehört sich das.
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