Heute ist Donnerstag, und an Donnerstagen mach ich mich gerne unbeliebt. Deshalb erzähl ich euch heute, was ich von Esoterik halte. Nämlich gar nichts.
Die Esoterik gehört zu den wenigen nicht ganz so wichtigen Themen, über die ich mich ohne schlechtes Gewissen ein wenig echauffieren kann, sie beschäftigt mich etwas mehr als der meiste andere
Schwachsinn, dem man auf unserer Welt begegnet. Das liegt unter anderem daran, dass ich häufiger mit ihr konfrontiert werde, und zwar deshalb, weil Esoterik und Aberglaube das ganze Land
unterwandert haben. Nicht nur dieses, aber unter anderem dieses. Auch Leute aus meinem Umfeld sind davon betroffen, einige mit Sicherheit, der Rest wahrscheinlich. Das sind die schlauesten,
weltoffensten, liebenswürdigsten Menschen, die mir jemals begegnet sind. Und dann betrüben sie mich zu Tode, indem sie mir von ihren Sternzeichen erzählen. Da werden Tische gerückt und
Rückführungen organisiert, da steht der Mond im richtigen Haus (Wtf?) und der Wünschelrutengeher auf der Wiese. Sagt einmal, Leute, was ist eigentlich los mit euch? Braucht ihr eine
Ersatzreligion? Dann empfehle ich euch Monopoly, Kuchenbacken oder Zeitunglesen.
Ich hab eine Großtante, die sich regelmäßig mit einem Gespenst unterhält, und manchmal wird mir auch selbst ganz gespenstisch zumute. So geschehen anno 2010, als mir durch eine Schweizer
Touristin in Costa Rica die Ehre zu Teil wurde, an einer Pendel-Sitzung teilzunehmen. Außer dem Pendel standen der Vorsitzenden für dieses Unterfangen 28 Sorten von Zucker-Globuli zur Verfügung.
Es wurde also die Hand des jeweiligen Patienten gehalten, und das Pendel bestimmte (mittels Pendeln) einige in Frage kommende Geschmacksrichtungen. Diesen wurden sodann bestimmte Krankheiten oder
Wehwehchen zugeordnet. Litt der Patient nach einem kurzen (oder mittellangen) Interview tatsächlich an einem der vorgeschlagenen Wehwehchen oder hatte in der Vergangenheit darunter gelitten,
bestimmte das Pendel, wie viele der jeweiligen Zuckerkugeln man einzunehmen hatte. Ich lehnte die Globuli-Kur dankend ab, aber ich war der Einzige. Meine Reisegefährten waren andächtig bei der
Sache.
Und dann die Wunder… Das ewige Gefasel von Wundern, weil man sich etwas nicht erklären kann. Dazu noch eine Geschichte, selbst erlebt, bitte sehr:
Zu Schulzeiten war ich einmal zu Fuß, mit einem Mitschüler, auf dem Weg vom Bahnhof nachhause. Irgendwo unterwegs lud uns seine Mutter ins Auto. Ich öffnete die hintere Autotür und schob zunächst
meinen Schulrucksack zur gegenüberliegenden Tür. Ich beugte mich also tief ins Auto, während ich immer noch mit beiden Beinen auf der Straße stand. In diesem Moment gab die Mutter meines
Mitschülers Vollgas. Nüchtern betrachtet wären an diesem Nachmittag mindestens eine Gehirnerschütterung und ein paar Prellungen fällig gewesen, aber ich stand nur etwas verdutzt am Straßenrand.
Das Auto hatte mich nicht einmal berührt.
Hatte mir mein Gehirn einen Streich gespielt und die halbe Sekunde, die ich brauchte, um mich wieder aufzurichten, einfach ausgeblendet? Oder gibt’s die in meinem Heimatort gerne strapazierten
Schutzengel wirklich? Warum ist mir an jenem Nachmittag nichts passiert? Ich weiß es nicht. Und ich finde mich damit ab, es nicht zu wissen. Das scheint mir sinnvoller, als irgendwelche abstrusen
Theorien zu entwickeln.
Warum setzte die ASFINAG Mitte des letzten Jahrzehnts Wünschelrutengeher ein? Warum gibt es an der Uni Magdeburg einen Homöopathie-Studiengang? Warum bekommt Johann Grander das Ehrenkreuz für
Wissenschaft und Kunst? Ich weiß es nicht.
Ich weiß nur eins: Dass uns der Himmel in absehbarer Zeit nicht auf den Kopf fallen wird. Und wenn er es doch tun sollte, dann rettet uns kein Zauberspruch, keine fliegende Untertasse und kein
rotierendes Wiener Schnitzel. Dann sind wir weg. Da helfen auch keine Dimensions-Ratgeber, Mondphasenkalender, Zaubertrankrezepte! Und weil wir gerade von Rezepten reden: Seit die Bäcker-Kette
„Der Mann“ mit Granderwasser wirbt, gehe ich noch öfter zum Gradwohl. Die werben mit Bio und Vollkorn, das klingt irgendwie intelligenter. Wie ich die mit Homöopathie infizierten Apotheken
bestrafen soll, weiß ich leider nicht. Glauben die Apotheker eigentlich selber an den Dreck?
Ich bin mir selbst nicht ganz sicher, warum mir Teufelsanbeter, Exorzisten, Hellseher, Horoskopschreiber und Lichtnahrungsexperten so zuwider sind. Vielleicht liegt es daran, dass ich keine
künstlich geschaffenen Probleme mag. Wer mit einer Wünschelrute in der Hand in wüste Zuckungen verfällt oder in Glaskugeln schielt, tut niemandem einen Gefallen, nicht einmal sich selbst. Und: Es
gibt genug echte Probleme, in deren Lösung man überschüssige Energien investieren kann.
In diesem Zusammenhang möchte ich euch einen Vorschlag unterbreiten: Wenn ihr das Pendeln, Zaubern und Kaffeesudlesen nicht sein lassen könnt, verbindet es doch mit einer guten Tat. Das Ausmaß
eurer Wohltätigkeit sollte dabei direkt proportional sein zum Ausmaß eurer Naivität. Beispielsweise kostet einmal Tarotkartenlegen zehn Euro, wahlweise zahlbar an Ärzte ohne Grenzen oder Global
2000. Für eine Geisterbeschwörung verzichtet ihr ein Jahr lang aufs Autofahren. Und wenn ihr vor einer schwarzen Katze davongelaufen seid, kauft ihr dem Tier eine Salami oder spendiert ihm eine
fette Maus. Das haben sich diese geächteten Kreaturen nämlich redlich verdient.
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Kommentar von R. aus Baden:
Wie so oft (finde ich) hast du einfach recht. Aber der Mensch braucht halt eine Religion (Weil da wirklich was ist, das er fühlt? Weil es "die Evolution" als Überlebensstrategie entwickelt hat?), und wenn er keine hat, kommt dann sowas raus ...