Cartagena

Gegen Mitternacht ließ uns der Taxifahrer an einem Platz im Zentrum aussteigen. Cartagena ist eine wunderschöne Stadt, über die wir zu diesem Zeitpunkt noch nichts wussten, ansonsten hätten wir darum gebeten, in die Altstadt gebracht zu werden.


In der näheren Umgebung des dunklen Platzes, an dem wir ausgelassen wurden, gab es nur eine dubiose Absteige, in der zudem laute Musik gespielt wurde. Ein finsterer Typ machte sich an uns heran und schaffte es schließlich, uns dazu zu bringen, ihm in einen Wohnkomplex zu folgen. Das Zimmer, das uns in einer Wohnung, die von einer Frau und ihrer Tochter bewohnt wurde, angeboten wurde, war tatsächlich recht passabel, wir einigten uns auf einen Preis. Bevor der Typ die Wohnung verließ, deutete er an, dass ich ihm eine Kommission zu zahlen hätte. Gringo, der ich bin, erklärte ich ihm, dass er sich die Kommission bei der Wohnungsbesitzerin abholen solle, aber das führte zu nichts. Wenn in Kolumbien jemand seinen Bekannten ein Geschäft verschafft und du dieses Geschäft bist, musst DU die Provision zahlen!


Ich ging noch kurz in ein nahes Geschäft, um Wasser zu kaufen. Innerhalb von knapp zwei Minuten musste ich mehrere aggressive Prostituierte, die Sex und Kokain im Angebot hatten, und einen Trunkenbold abwehren. Nachdem wir am nächsten Tag in der Früh schweißgebadet aufgewacht waren (Es hatte jeden Tag 37 °C, die Nächte waren unwesentlich kühler), beobachtete ich von unserem Fenster einen Mann, der sich im Minutentakt ein paar Münzen dazuverdiente: Er putzte die Windschutzscheiben vorbeifahrender Autos, lotste sie durch eine Engstelle usw.


Wie dem auch sei, Cartagena ist – in seinem weitläufigen, alten Kern – eine wunderbare Stadt. Direkt am Meer die imposante Stadtmauer, dahinter enge Gassen mit herrlichen, bunten Kolonialbauten. Die hölzernen Balkone sind mit Blumen geschmückt, die schönen Türklopfer lassen auf den Beruf ihrer früheren Bewohner schließen. Die Zahl der Türknöpfe steht in direktem Verhältnis zum Reichtum der ehemaligen Hausbesitzer. Der Stadtverwalter soll anno dazumal regelmäßig in der Stadt herumgeritten sein, um nachzuschauen, ob jemand mehr Türknöpfe hatte als er.


Wir verbrachten einige vergnügliche Tage in Cartagena und lernten dabei u.a. das hervorragende Marine-Museum und die KGB-Bar kennen. In der KGB-Bar finden sich hunderte Erinnerungsstücke aus der Sowjetunion – die Besitzer sind Russlandfans. Auf dem Weg zum Meer fanden wir statt einem Taxi zwei Motorräder, der Fahrer meines Gefährts legte sich meinen riesigen, mehr als 20 Kilo schweren Rucksack einfach quer über die Lenkstange. Weihnachten verbrachten wir bei sanften Reggae-Klängen am Strand, eine Trink-Ananas in der Hand, die Füße im Wasser. Am 25. Dezember gingen wir schnorcheln.


Dann flogen wir von Cartagena über Bogotá nach Panama-Stadt. Der Flieger von Bogotá nach Panama war vor allem für Geschäftsreisende gedacht, er war nämlich ganz verdammt teuer (Die Billig-Airline verkauft One-way-Tickets leider nur an Einheimische). Anzugpinguine, wohin das angewiderte Auge blickte, dazwischen ich. Mit Plastikschlapfen, einem Terroristenbart und einem löchrigen Müllsack als Handgepäck.


Mein Südamerika-Fazit? Ein wunderschöner Kontinent, jederzeit für ein Abenteuer gut. Aber: Der „Wandel“, wie er in jedem einzelnen südamerikanischen Land beschworen wird, muss auch von innen kommen. Ein Kontinent, der größtenteils von gewissenlosen Chaoten bevölkert wird, hat keine Zukunft.

 

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