Es regnet. Nach zwei Monaten Trockenzeit (Jänner, Februar) und zwei Monaten Übergangszeit (März, April) kübelt es nun wieder auf uns herunter. Die Wellblechmafia ist Schuld daran, wenn wir uns nicht verstehen. Mit dem Regen kamen die Moskitos, und mit den Moskitos die Käfer. Suizidkäfer, die gegen die Wand rasen, auf meinen Kopf abstürzen und sich in meinen Haaren festkrallen oder verrecken, kleine, geflügelte Käfer, von denen, nachdem sie eine Glühbirne berührt haben, nur die Flügel übrig bleiben, und Leuchtkäfer.
Mein Favorit ist ein Leuchtkäfer, der im Gegensatz zu seinen armseligen Kollegen, die nur mit einer einzigen Lichtquelle ausgestattet sind, über zwei Leuchtkörper verfügt! Eine der beiden Dioden entspricht dem Leuchtkäferstandard, ist ist klein, giftgrün und langweilig, aber die zweite Diode, die ist was ganz Besonderes. Sie hat die Größe einer kleinen Taschenlampen-Birne, ist orange, und sie blinkt!! Beim Start gibt das Biest die doppelte Energiemenge ab – wenn es sich mit lautem Brummen in Bewegung setzt, nur, um nach einer halben Sekunde wieder gegen das Wellblechdach zu knallen, dann leuchtet es durchs Zivihaus.
Costa Rica ist für mich zur Normalität geworden, und es fällt leicht, zu vergessen, dass es einen großen Unterschied gibt zu daheim. Denn Costa Rica ist – trotz allem – eben doch nur ein Entwicklungsland (bestenfalls Schwellenland). Das äußert sich u.a. in der Bildung. Ich habe eine gewitzte Englisch-Schülerin, die, obwohl sie gewitzt ist, das Alphabet nicht hinkriegt. ll und y sowie b und v (fallweise auch c, s und z) kann sowieso kein Costaricaner unterscheiden; „banano“ wird ohne weiteres zu „vanano“, aus „vayase“ wird „ballace“. Die Lehrer gehen mit schlechtem Beispiel voran.
Bei Kimberlys Englischlehrer wird das englische Wort „beans“ zu „bims“, und ein VHS-Englisch-Lehrer aus San Isidro, dessen Verfehlungen ich anhand von Jennis Unterlagen nachvollziehen kann, ist nicht in der Lage, die Präpositionen „in“, „at“ und „on“ zu unterscheiden, geschweige denn, einen Satz à la „Sie ist drei Jahre alt“ mit dem richtigen Verb aufs Papier zu bringen... Jenni ist ein blitzgescheites Kind, aber was kann sie erreichen, wenn ihr nur Halbwissen vermittelt wird?
Wenn beim Internet das Feng Shui wieder einmal nicht stimmt und kein Signal zu bekommen ist, obwohl der Computer auf drei Büchern steht, wenn jemand den nächsten Bus abwartet, weil der um € 0,50 billiger ist, wenn ich bei Edith meine 6-l-Flasche mit gefiltertem Wasser fülle, weil das Flusswasser, obwohl wir uns am Fuße eines Dreitausenders befinden, verunreinigt ist, dann erinnere ich mich daran, dass ich in einem Entwicklungsland bin. Anfang Mai bin ich für ein paar Tage nach Panama-City gefahren.
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In meinen ersten Stunden in der großen Stadt versuchte ich, eine Vorstellung von den öffentlichen Verkehrsmitteln zu bekommen. Und was ich in San José nie geschafft habe, gelang – ich fand mich in dem jaulenden Hexenkessel namens Panama-Stadt zurecht. Spaßig ist es, beim Albrook-Terminal nach den richtigen Verbindungen Ausschau zu halten. Das Fahrtziel eines Busses ist in großen Lettern auf die Windschutzscheibe gemalt, aber mit so vielen Schnörkeln, Bildern und WordArt-Elementen, dass die eigentliche Information – nämlich wohin der Bus fährt – oft völlig untergeht. Mit dem Bus hab ich Freitagabend, 7. Mai, dann auch die Caro abgeholt.
Wir sind noch zwei Tage durch die panamaische Hauptstadt getobt. Panama-City ist eine Weltstadt, San José ist im Vergleich ein hässliches Dorf. Die Aussicht von unserer Herberge in der Altstadt weckte unweigerlich Erinnerungen an New York City, und hinter der ersten Skyline versteckte sich eine zweite. Und dahinter noch eine. Die Wolkenkratzer stehen weniger dicht beinander als in Manhattan, was die Stadt umso größer erscheinen lässt. Da auf einer der aufgestelzten Asphaltbahnen nächtlicherweise mit 90 km/h durchzurasen (In Panama-Stadt gibts etwa 20.000 Taxis, eine Fahrt kostet 1,50 – 2 USD), ist auf alle Fälle ein Erlebnis. Panama ähnelt stärker als Costa Rica und viel stärker als Nicaragua den Vereinigten Staaten.
Caros Antrag auf ein Visum für Costa Rica war in Ecuador mit einer dubiosen Begründung abgelehnt worden. Die Begründung des Konsulats in David war nicht weniger dubios, wenn auch anderslautend... Es reichte wieder einmal mit den costaricanischen Behörden. Ein Gespräch mit einem Taxifahrer, ein Anruf bei einem gut informierten costaricanischen Freund, dann war die Ausweichroute festgelegt. Auch die Gebirgsstraße wird kontrolliert, aber eher stichprobenartig, und bei Nacht und Regen hat die Polizei wohl anderes zu tun. Der einzige Kontrollposten, den das Taxi passierte, war unbesetzt.
Ansonsten wenig Neues... Odinn, ein österreichisch-isländischer Freund, hat mich besucht, ich gebe zweimal wöchentlich Computer-Unterricht in der Schule, Caro bekocht mich... :) Wünsche auch euch eine ruhige Zeit!
Liebe Grüße, pura vida
Anton