What's up New York City?

Samstag, 12. April, sind Peter und ich von Mom zum Flughafen gebracht worden. Dort hat schon Alli, Austauschschülerin und Freundin aus Deutschland, gewartet. Im Programm hat es „arrivals“ geheißen. Wir sind also in Washington arrived und per Bus zu unserem Hotel nach Fairfax, VA, gut 20 Meilen außerhalb von DC, gebracht worden.


Beim Abendessen haben wir die ersten von rund 100 Austauschschülern aus aller Herren Länder kennen gelernt. Deutschland, China und Thailand waren besonders stark vertreten, aber es gab auch viele Japaner, Chilenen, Dänen und Südkoreaner. Sehr spaßig war es, mit den Leuten aus China und Thailand Bekanntschaft zu schließen – wegen ihrer teils meterlangen Namen und weil es in Teilen Südostasiens offenbar üblich ist, englische Namen anzunehmen, geben sie sich Namen wie „Mild“ („The opposite of spicy!“), „Noon“, „Arm“ („What’s your name again? Leg? Head?“), „Kennedy“ etc.


Am ersten Abend wurde getanzt. Ein baumlanger Norweger mit himmelblauem Hemd, hochgeklapptem Kragen und roten Borsten heizte allen ein. Ich nützte einen Teil der Zeit, um eine gehörlose Austauschschülerin, Sissi aus Finnland, kennenzulernen. Sie unterhält sich in drei verschiedenen Zeichensprachen und hat mir ein bisschen ASL (American Sign Language) beigebracht. Hauptsächlich haben wir aber geschrieben... Sie bat uns, der Umwelt zuliebe jedes Blatt Papier vollzuschreiben, und dann erst das nächste zu nehmen.


Irgendwann konnten auch Peter und ich uns nicht länger wehren und mussten ein bisschen tanzen. In einer Ecke spielte eine Gruppe Karten. Der Norweger dominierte auch das Kartenspiel.


Gegen elf war das Tanzen vorbei und ich, Peter, ein Däne namens Christian und der Norweger, der sich als Lars entpuppte, bezogen unser Zimmer. Samstagabend hörte ich ein „Gute Nacht“ in Norwegisch, Dänisch, Ungarisch und in Zeichensprache.

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Es ist unmöglich, Washington, DC, an einem Tag kennenzulernen. Wir haben’s trotzdem versucht und mit einem Militärfriedhof, dem Arlington National Cemetery, begonnen. JFK ist dort begraben und auch ein „unknown soldier“ – ein „Grab des unbekannten Soldaten“ gibt es also nicht nur in Moskau. Bei besagtem Grab haben wir uns die Wachablöse zu Gemüte geführt. Mittaggegessen haben wir in der Union Station. Ein wunderhübsches Gebäude und – erfreulicherweise – alles andere als stillgelegt. Der Acela Express, schnellster Zug in Amerika, fährt hier ab.


Den Nachmittag haben wir im Smithsonian verbracht. Diese Ansammlung von Museen entlang der „Mall“, einem Wiesenstreifen, der sich vom Capitol bis zum Washington Monument erstreckt, ist beachtlich. Peter, Tobias aus Deutschland und ich haben uns die Ausstellung „Bones & Reptiles“ im National Museum of Natural History angeschaut und haben dann den Lift zur Spitze des Monuments genommen. Die Aussicht war schön, und so haben wir’s nicht bereut, als uns keine Zeit mehr geblieben ist, ins Space Museum zu schauen.


Nach einem französischen Abendessen haben wir die Stadt per Bus erkundet. Eins hat sich schnell herausgestellt – Washington, DC, ist eine Stadt voller Memorials. Wir haben das Lincoln Memorial besichtigt, das Roosevelt Memorial, das Jefferson Memorial, das Vietnam Memorial, das Korea Memorial und bestimmt noch einige andere. Der Präsident war zuhause, aber was ich faszinierender gefunden habe als das Weiße Haus, war ein Kerl, der seiner eigenen Aussage zufolge seit 1981 vor dem Gebäude kampiert. Nach dem Grund gefragt, erzählte er, dass er gegen Atomstrom, Krieg und hypocrisy protestiert. Der Mensch hat einen Bart, zwei Plakatwände, ein kleines Zelt und einen Hund. “Good work, sir. I hope you are successful.” – “Thank you.”

 

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Montag wars, als wir nach “Philly” ausgerückt sind, wie die erste Hauptstadt der USA gerne genannt wird. Unterwegs, im Bus, haben wir uns zur Umgebung passende Filme angeschaut – “Evan Almighty“ und “My National Treasure“. Gefuttert haben wir im Hardrock Café in Philadelphia, und anschließend sind wir wieder auf die Außenwelt losgelassen worden. Peter und ich haben uns, genau wie alle anderen, die Liberty Bell (Der Legende zufolge hat sie am 4. Juli 1776 geläutet) und die Independence Hall angeschaut (In der Independence Hall wurde sowohl die Unabhängigkeitserklärung als auch die Verfassung der Vereinigten Staaten unterzeichnet).


Spätnachmittags hatten wir dann erstmals die Skyline von New York City vor Augen. Wir haben unser Hotel, einen Country Inn in Elizabeth, NJ, aufgesucht, und haben den Rest des Abends im örtlichen Einkaufszentrum verbracht. Später hat mir Fay, eine Chinesin, Bilder von chinesischen Austauschschülern gezeigt. Erwähnenswert ist das, weil sie mich gefragt hat, ob die Chinesen für mich alle gleich aussehen. Ich hab geantwortet, dass sich Chinesen für meine europäische Wahrnehmung sehr oft doch zumindest ähneln. Worauf sie gemeint hat, dass sie sich nicht sicher sei, ob ihre Bilder nicht teils dieselben Leute zeigten...

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Dienstag, 15. April, war die Stimmung im Bus gespannt. Wir fuhren ja nicht in irgendeine Stadt... Wie fuhren in die Stadt. Die Stadt der Städte. NEW YORK.


Mit Naco („Nacho“) aus Spanien, Alex aus Frankreich, Peter und einem deutschen Austauschschüler erkundete ich in unseren ersten Stunden in New York die 5th Avenue. Die Geschäfte waren toll (Apple Store, Disney Store...), aber was in Manhattan wirklich beeindruckt, sind die Wolkenkratzer. Die stehen dort nicht einzeln herum... Es gibt nur Wolkenkratzer. Einer neben dem anderen und viele hundert... oder tausend. Ich fühlte mich so ziemlich als „Hans-guck-in-die-Luft“.


Am Nachmittag, als wir von all den Eindrücken mehr oder weniger erschlagen waren, ging’s zum „Top of the Rock“, auf den Gipfel des Rockefeller Centers. Die Liftfahrt dauerte vielleicht eine halbe Minute und es verschlug uns allen die Ohren. Auf drei Aussichtsplattformen schossen wir alle einige dutzend bis einige hundert Bilder und ich kaufte mir mein New-York-Subway-T-Shirt. Danach ging’s durch den Central Park. Er ist... groß. Der Park wimmelt, genau wie die ganze Stadt, von Buden, die entweder die traditionellen Hot Dogs oder Nüsse verkaufen.


An irgendeinem Ende des Central Parks befindet sich Strawberry Hill. Ein verkühlter Typ, der dort seit Jahren tagtäglich ein neues Peace-Zeichen kreiert (zumeist aus Blumen, manchmal aber auch aus Blueberry-Donuts), erzählte uns die Geschichte von John Lennon und Yoko Ono und Strawberry Hill und verwies uns auf das Gebäude auf der anderen Straßenseite, in dem Yoko Ono lebt. Beim Chinesen unterrichtete mich ein südostasiatischer Austauschschüler im Essen mit Stäbchen. Nach fünf Minuten wurde ich aber hungrig und ließ die Stäbchen Stäbchen sein.


Die vorletzte Attraktion des Tages war der Times Square. Benannt nach der „New York Times“, ist er ein geschäftiger, lauter und schriller Platz, voll mit kreativer Werbung und den genialsten Geschäften.


Auf dem Weg nachhause stoppten wir auf der anderen Seite des Hudson River, an einem stillen Ort, der die beste denkbare Sicht auf die Skyline von Manhattan bietet. Es war unglaublich schön, viel schöner und beeindruckender, als es Bilder jemals zeigen können. Wir standen dort und fotografierten, und schauten, schauten, schauten. „This is New York City, baby!!“ brüllte es von irgendwo. Unsere chaperones mussten uns nach längerem Aufenthalt sozusagen in die Busse prügeln. Mag sein, dass wir alle müde waren oder der Musik lauschten, aber es muss doch erwähnt werden, dass es nach diesem Zwischenstopp in vielen Sitzreihen einfach stumm blieb.

 

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Ein weiterer Tag mit herrlichem Wetter begann für uns mit Liberty Island. Die Freiheitsstatue, bei deren Anblick die Einwanderer annodazumals in Jubel ausbrachen, ist schon eine besondere Sehenswürdigkeit. Und sehr fotogen.


In einem Hafen im Financial District aßen wir Lunch, Lars und ich taten dies auf der Sonnenterrasse. Danach marschierten wir die Wall Street entlang zum Ground Zero. Die Bauarbeiten für den Freedom Tower haben begonnen, sehr sehenswert ist St. Paul’s Chapel, eine kleine Kirche, die am Ground Zero steht. Was sich dort abgespielt hat, kann mithilfe von vielen Ausstellungsstücken und Infotafeln nachempfunden werden.


Es folgte Chinatown („Don’t pay them too well... It’s all fake!”). Mit Alli und einigen neuen Bekanntschaften und Freunden (Tuck aus Thailand, Gunnar aus Karlsruhe...) inspizierten wir die Geschäfte. Für zehn Dollar kriegt man sieben T-Shirts (Zitat Gunnar: „Take it for free and they still make a profit!“), und ansonsten werden vor allem Parfums und Handtaschen verkauft. Ich hatte ein besonderes Anliegen – als Eisenbahnenthusiast und weil wir unsere Wege im Bus zurücklegten, wollte ich unbedingt mit der New Yorker Subway fahren. Die Subway macht die Stadt zur „City that never sleeps.“ Und meine ganz persönliche Meinung ist die: Wenn du eine Stadt kennenlernen willst, dann musst du auch mit ihrer U-Bahn fahren.


Gunnar war sofort dabei, und gemeinsam überzeugten wir Johannes und Benni (zwei weitere Deutsche). Wir fuhren nur eine Station, aber man gewinnt doch einen Eindruck. Die Subway in New York ist laut, betriebsam und für Neuankömmlinge vor allem sehr verwirrend.
Auch die Geschichte von meinem ersten (und hoffentlich einzigen) Ladendiebstahl gehört hier her. Lea (aus Deutschland), Teemu, Ella (beide aus Finnland) und ich besichtigten das Untergeschoß eines Spielzeugladens irgendwo in der Gegend des Times Square. Ella spielte mit einer Frisbee und gab sie dann mir – und spazierte hinaus auf die Straße. In der Annahme, dass es ihre Frisbee sei, verließ ich mit der Frisbee in der Hand das Geschäft... Und wir stellten eine halbe Stunde später fest, dass es nicht ihre Frisbee war. War sehr lustig. Eine rosarote Frisbee. Two bucks ninety-nine.

 

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Der Donnerstag begann mit einer Fahrt durch Harlem. Aus dem Bus sahen wir u.a. das Apollo Theater und die Cathedral of Saint John the Divine, eine Kirche, die nach ihrer Fertigstellung (Welche äußerst fragwürdig ist, es wird seit mehr als 100 Jahren gebaut) eine der größten der Welt sein soll. Ich hab die Kirche übrigens nicht gesehen, war auf der falschen Seite des Busses. Wir stoppten vor dem General Grant Memorial (Ein überhaus beliebter Präsident des 19. Jahrhunderts) und beim ältesten Haus von New York City.


Die Gegend in Manhattan, in der sich Macy’s und das Empire State Building befinden, ist the busiest that I have seen in New York. Hundert Austauschschüler, die am Gehsteig gegenüber von Macy’s in einer Gruppe zusammenwarten – das ist verrückt. Sehr chaotischer Ort.


Es folgten ein vergnüglicher Spaziergang über die Brooklyn Bridge und der Besuch des Bryant Park, einer kleinen Grünfläche, die von recht beachtlichen Wolkenkratzern und der New York Public Library umgeben ist. Arm, ein Schüler aus Thailand (sein richtiger Name ist Pakapon Tiyasaengthong), kaufte Erdbeeren und die futterten wir auf dem Weg zum BBQ-Dinner.


Zum Abschluss unseres Aufenthaltes in New York City besuchten wir die Broadway-Show „Alter Boyz“. Ich muss ehrlich sagen, dass mir die Handlung nicht zugesagt hat, aber die Schauspieler waren so ausgezeichnet, dass der Gesamteindruck trotzdem in Ordnung war. Zurück im Hotel hab ich mit ein paar Leuten aus Thailand und China Schwarzer Peter gespielt, wir haben uns voneinander verabschiedet, und ein paar Stunden geschlafen.

 

Der Wake-up-Call für Lars kam um drei Uhr. Christian verließ das Zimmer um vier Uhr. Um 4:30 Uhr, als Peter und ich es gerade wieder geschafft hatten, einzuschlafen, kam dann auch Christians Wake-up-Call... Und um fünf Uhr war es Zeit für Peter und mich, aufzustehen. Mit Alli, Peter und mir im Flugzeug nach Chicago waren, unter anderen, Amy (aus China) und Naco. In Chicago haben wir den Christian wieder getroffen (Der Sack hätte ruhig den späteren Flug nehmen können... Dann hätte er nicht um vier Uhr Krach machen müssen).

 

In fünf Tagen habe ich, haben wir alle, viel zu viele Leute kennen gelernt. Kaum hatten wir uns alle ein bisschen besser kennen gelernt, war die Reise an die Ostküste vorbei und es war Zeit zum Verabschieden. Als Austauschschüler muss man sich wohl daran gewöhnen, viele Leute das letzte Mal zu sehen. Aber man hat immer das Gefühl, dass es in einigen Fällen – vielleicht – doch nicht das letzte Mal gewesen ist.
Jedenfalls – ich habe viele nette Bekanntschaften gemacht und es ist großartig, überall auf der Welt Freunde zu haben – Ella aus Finnland, Fay, Yuehan und Kennedy aus China, Gunel aus Aserbaidschan, Tuck aus Thailand, Lars aus Norwegen, Gunnar und Felix aus Deutschland, und und und. Nicht zuletzt Alli und Peter. Mit dem Peter bin ich heut laufen gegangen... Andernfalls gäb’s übermorgen in Track nämlich wieder einen so genannten „Puke Monday“!