Welcome to Kansas!

Freitag vorletzter Woche bin ich zu Fuß heimgegangen, den Indian Creek entlang. Der Bach war zugefroren und eingeschneit, vom Müll und dem dreckigen Wasser nichts zu sehen. Und plötzlich ist mir eingefallen, dass eine große amerikanische Vorstadt, autoverstopft und in der langweiligsten Prärie, eigentlich so ziemlich der letzte Platz ist, an dem ich jemals sein wollte. Warum bin ich hier? Ich hab’s mir wohl nicht aussuchen können. Und weil Schnee und Eis und kalte Luft so zum Nachdenken anregen, hab ich mich auch gleich gefragt, warum’s mir hier trotzdem so gut gefällt. Das muss dann wohl an den Leuten liegen... Es ist toll hier!


In der Schule treib ich nun tatsächlich wieder etwas Sport, erscheine ab und zu zum Conditioning und hab vor, mit Maria oder Aaron an Wochenenden laufen zu gehen, sobald das Wetter wieder besser wird. Eine für mich neue Art, Kondition aufzubauen, ist Stiegen sprinten unter den Augen von Coach Wallace.


„Welcome to Kansas“ ist eine Phrase, die man hier oft zu hören bekommt, wenn man anfängt, über das verrückte Wetter zu reden. Montag wars so warm, dass wir am Track schon matt waren, bevor das eigentliche Laufen begonnen hat. Und gestern, Mittwoch, haben wir dank Schnee und Eis schulfrei gehabt.


Sofern wir nicht gerade schneefrei haben (Es war immerhin das dritte Mal gestern), ist die Schule größtenteils entspannend wie eh und je. In Yearbook hören wir uns Lieder an („That’s a good one! From 1974 – before you guys were even thought of!”) und in Peer Mentoring sammelt man in einer Stunde so viele Zitate und lustige Geschichten wie anderswo in einem Monat:
- Andy hat einen neuen Welpen (a puppy). Der Hund heißt Sisol, und Andy nennt ihn „Si“. „Si“ ist die einzige Silbe, die er aussprechen kann.
- Tyler: „It’s not a puppy, it’s a dog!“
- Julia: „I have birthday on February XX.“
- Steve: „That’s my dog’s birthday!“
- Jake gibt detaillierte Informationen über das Crown Center, ein Einkaufszentrum in Kansas City, MO. Nachdem er erwähnt hat, dass man beim Crown Center an Wochenenden gratis parken kann, fragt er plötzlich: „Where is Crown Center?“


Mein Partner in Peer Mentoring ist Dustin, und ich versuche seit Wochen, ihm sein ewiges Selbstmitleid abzugewöhnen. „I’m staaaaaarved“ und „Go to lunch“ sind zwei seiner Lieblingsphrasen. Wenn er lang genug über seine imaginären Ohrenschmerzen geklagt hat, gehen wir zur Schulärztin, die ihm einmal ins linke und einmal ins rechte Ohr schaut und den glücklichen Dustin dann als „geheilt“ entlässt.


Und auch in International Law wird’s nicht langweilig. Als wir letztens ein bisschen zu viel Zeit gehabt haben, hat jemand die Idee gehabt, mir in ein paar Minuten so viele amerikanische Spielchen beizubringen wie möglich. Wir sind dann (inklusive Mrs. Britton) raus auf den Gang und haben den „Hokey Pokey“ getanzt, bis Officer Dicks entrüstet den Gang heraufgewatschelt kam.


Im Hawk’s Nest verkaufen wir beinahe ausschließlich Lutscher, allen voran „Fuzzy Peach“, „Sweet Freedom“ und alles mit Strawberry.


Weil Amerika eine Autonation ist und wir jeden Tag die 127th Street entlang fahren, muss ich jetzt amal von den gelben Pfeilern erzählen, die dort stehen. Sie stehen in der Straßenmitte, oder jedenfalls sind sie da zu Schulbeginn noch alle gestanden. Warum man die da hingepflanzt hat, weiß ich nicht. Die Pfeiler an der 127th Street sind verbogen, ausgerissen und teils mitsamt dem Unterbau, der sie am Asphalt festklammern soll, verschwunden. Am Anfang der Pfeilerstrecke finden sich einige Meter, auf denen kurioserweise genau jeder dritte Pfeiler noch steht. Und seit ein paar Tagen sind am Straßenrand Fitzelchen zu finden, nicht größer als Daumennägel... Die kleine Geschichte hat nicht den Zweck, die öffentliche Meinung betreffend minderjährige Autofahrer negativ zu beeinflussen... :D


Im Deutschklub haben wir letzten Donnerstag Fasching gefeiert. Jemand hat Jelly-Donuts aufgetrieben, die den guten alten Faschingskrapfen zumindest ähnlich sehen. Vom Geschmack erzähle ich lieber nicht, aber es war eine sehr unterhaltsame Stunde.
Heute Donnerstag war ein schöner Tag, von inhumanen Foltermethoden beim Conditioning (Und es ist noch nicht einmal das richtige Track & Field!) abgesehen; unser verlängertes Wochenende haben wir mit 16 konsekutiven 200-m-Sprints angetreten.