Neues aus dem Wilden Westen

Einen schönen guten Tag... Ich hab lang nichts mehr geschrieben. Drum wird das hier jetzt ganz lang. Um alles schön chronologisch zu schildern, hab ich mir im letzten Monat immer, wenn’s was Interessantes gegeben hat, das Datum und ein paar Stichworte aufgeschrieben.


Montag, 10. September, war mein vermutlich härtestes Cross-Country-Training bisher. Es war ein 30-Minuten-Lauf, die Vorgabe lautete „Race Pace“. Genaugenommen war es „Death Pace“, wir sind gerannt als wäre unser diensteifrigster School Officer hinter uns her. Wobei der mindestes 350 Pfund wiegt, infolgedessen nicht laufen kann und außerdem ein liebenswürdiger Kerl ist. Das ist aber unwichtig. Tatsache ist, wir sind gerannt. Und zwar unbeaufsichtigt. Die Disziplin und die Härte sind einfach unglaublich... Abgekürzt wird nicht. Einer unserer Trails beinhaltet einen spitzen Winkel, den man über ein kleines Stück Wiese ohne weiteres abschneiden könnte, aber dieser Winkel wird ganz selbstverständlich ausgelaufen... Wir sind ein stolzes Team und der ganze Haufen von Olathe East ist stolz auf uns. Wenn wir an einer Straße laufen, gibt’s immer irgendwelche Autofahrer, die hupen und rufen.


Mittwoch, 12. September, war das härteste Rennen der Saison. Die Stimmung war vor und nach dem Course-Walk ein bisschen depressiv, aber es war trotzdem ein schöner Tag. Der 5k-Kurs beinhaltete nebst zwei ausgedehnten Hügeln den „Goat Hill“, einen Hügel, auf dem manche Läufer ihre Hände verwendeten, um hinaufzukommen. Diverse Mädel kollabierten auf der Ziellinie oder gingen das letzte Stück einfach. Unsere zehn besten Läufer waren bei einem Rennen in Missouri. Ich bin entsprechend aufgerückt und konnte mit einer Zeit von 19:52 den vierten Platz im JV-Rennen erreichen. Meine erste Medaille. :)


Homecoming hab ich in Ermangelung eines Dates geschwänzt, stattdessen hatten wir am Donnerstag (13.) in Peer Mentoring einen „Mock Dance“. Dass Steven zum „Homecoming King“ gewählt wurde, versteht sich ja von selbst.

 
Mein Geburtstagswochenende, jedenfalls den 14. und 15., verbrachte ich in Baldwin. Ein Neffe von Mrs. Stiefel und ihr Vater waren anwesend. Chase, Mrs. Stiefels Neffe, hatte die Absicht, seine Schullaufbahn in Baldwin zu beenden, weil er in Virginia Angst vor Gangs hat. Virginia ist, wie es heißt, „not a good place to live“. Wie mir Mrs. Stiefel mitgeteilt hat, hat’s ihn inzwischen aber doch zurück in die Heimat gezogen. Jedenfalls sind wir am 14. und 15. abends vor dem Haus ums Feuer gessen, haben Marshmallows gegrillt, den Kojoten gelauscht und Sternschnuppen gezählt. Es war schön... Ich muss irgendeine abfällige Bemerkung über die Flut an T-Shirts und anderen Textilien an amerikanischen Schulen gemacht haben, jedenfalls schenkte mir Mrs. Stiefel ein Shirt der Baldwin High, „Home of the Bulldogs“. Mein Geburtstag war nicht unbedingt atemberaubend, David, der am selben Tag (16.) Geburtstag hat, hatte mich zu einem Barbecue eingeladen, das aber ins Wasser fiel, weil das Restaurant unerwartet geschlossen hatte.


Dienstag, 18. September, sind wir Park Loops gelaufen. Im Vorhinein hatten wir alle auf Regen gehofft, wer will schließlich schon Park Loops laufen... Unser Wunsch wurde erfüllt, den zweiten Loop beendeten wir im strömenden Regen. Und dann kübelte es wirklich. Blitze zuckten rundum und alles wurde zurück zur Schule geschickt. Nur nicht die erste Trainingsgruppe der Burschen. Wir streckten uns in einem überdachten Bereich am Spielplatz, während ringsum die Welt unterging. Zehn Minuten später rannten wir den dritten Loop. Letztendlich waren wir patschnass, und meine Schuhe... Most disgusting stuff ever.

 

Nach dem wöchentlichen Footballspiel am Freitag („Go home, sophomores!“) rannten wir am Samstag in Topeka, der Kansas-Hauptstadt. Ich war ein bisschen überrascht, das Laufen fühlte sich deutlich besser an als sonst. Der Kurs war leicht hügelig, bei weitem nicht so extrem wie Turner, aber doch mehr Hügel als in Olathe North. Ich und David hatten ausgemacht, einander zu pushen, was natürlich nur bis zu einem gewissen Grad funktionierte. Erst war er ein bisschen vorne, dann ich. Im Ziel war ich nach 19:15, David nach 19:16 Minuten. Von 158 JV-Läufern aus allen möglichen Schulen waren wir 22. und 23. Anschließend ein gigantischer Pizza-Fraß! Godfather’s Pizza in Lawrence ist typisches amerikanisches Junkfood. Wir Seniors waren die ersten, die das mittelgroße Lokal entern durften, die Freshmen warteten gut eine halbe Stunde. Am Getränkeautomaten konnte man sich u.a. einen Vitaminsaft mit „0 % Juice“ herunterdrücken. Hab ich nicht getan. Als Nachspeise gab es süße Pizza, belegt mit Zimt und irgendeinem Zuckerbrei... War wider Erwarten nicht allzu schlecht. Da der Sitzabstand in amerikanischen Schulbussen zu klein zum Sitzen ist, haben wir das letzte Stück nach Olathe geschlafen. Der Tag war, alles in allem, großartig.


Ich weiß, dass sich das eher wie eine Sport-Reportage liest, und es hat viele andere schöne Momente gegeben, aber dazu später... Donnerstag, 27. September, sind wir auf der Rennbahn der Olathe East High gelaufen. Wir hatten es die Woche vorher erstmals bei der California Trail Junior High getan, 100 Meter in 40 Sekunden, gefolgt von 200 Metern in 40 Sekunden, dann wieder 100 Meter in 40 Sekunden etc. Nach 10 x 300 Metern war für mich Schluss. Am 27. waren es für meine Gruppe (2 von 5) 800 Meter, sechs Mal hintereinander mit jeweils 60 Sekunden Pause dazwischen. Vorgabezeit waren 3:00 bis 3:05 Minuten, gebraucht haben wir kein einziges Mal länger als 2:57.


Ich war am 27. beim Felsbrocken-Sammeln unter einer Brücke (Wir haben die Brocken dann in Peer Mentoring bemalt) draufgekommen, dass meine Füße bei Belastung wie irre zittern... Weil alles in meinen Beinen extrem „sore“ war, teilte ich das nach dem Rennen Coach Daniels mit, der mit Coach Bozarth und Coach Pope noch an der Rennbahn stand. Verdutzte Blicke auf mein Bein, dann fröhliches, dreistimmiges Gelächter: „If that hurts... Then DON’T DO THAT!“ Was soll man sagen... Die Coaches haben Recht.


Nach ausgiebigem Abwärmen stand ich annähernd eine Minute ohne Unterbrechung an der Wasserpipe. Als ich mich schließlich umdrehte, stand jemand vor mir, den ich noch nie gesehen hatte und musterte meine knallrote Birne: „Let me guess – Cross Country?!“ Japjapjap. Gestern, 3. Oktober, war ich erstmals so „sore“, dass ich nicht mehr mitlaufen konnte, trotz eines eiskalten Eisbades für die Füße am Vorabend, prepared by Aaron, und mindestens 30 Minuten Streckübungen während jeden Trainings. In beiden Beinen bahnte sich ein Krampf an und nach einem schmerzhaften Park Loop ließ ich die Park Loops Park Loops sein... Mit der unerwarteten Genehmigung von Coach Bozarth. Letztendlich waren wir vier, die nicht mehr weiterlaufen konnten. Heute, 4. Oktober, ist’s schon wieder ein bisschen besser gegangen. Die Saison ist für alle JV- und C-Läufer in zwei Wochen vorbei. Soll heißen, es wird jetzt auf gar keinen Fall aufgegeben.


Es hat schon auch Tiefs gegeben im September, wenn ein Nachmittag langweilig war und ich dran gedacht habe, was ich jetzt grad in Österreich alles tun könnte... Aber das war immer schnell vorüber. Jetzt, Anfang Oktober, fühl ich mich vollständig integriert und hab auch keine langweiligen Nachmittage mehr.


Am 29. September bin ich (nach einem 15-Minuten-Rennen im Shawnee Mission Park, für das ich und Cris mehr als eine Stunde im Auto verbracht haben, weil Coach Bozarth einfach kein Talent zum Kartenzeichnen hat) mit Aaron und Mason bei einem Japan-Festival gewesen. Am 30. hab ich mit Rachel Dannen aus meiner Peer-Mentoring-Klasse geholfen, für ihre Kirche (die United Methodist Church, kurz UMC) genau 2.761 Halloween-Pumpkins auszuladen (Die verkaufen die). Belohnt wurden wir mit der dicksten Pizza meines Lebens in Rachels Haus. Wir haben dann einen Film geschaut und ihren Church-Club besucht. In dem Club wird ein bisschen diskutiert und ein bisschen mehr gespielt. Mein Favorit war „Red River“, ein Spiel, bei dem man im Sprint durch die Arme eines Gliedes der gegnerischen Kette brechen muss. Ein paar Kleine haben sich da ganz gewaltig ihre Köpfe angeschlagen. Jedenfalls hab ich am Sonntag Rachels Familie kennen gelernt... Und sie hat mir ihr Haus gezeigt. Dass ich es nicht zum letzten Mal gesehen habe, hab ich vorgestern (2. Oktober) erfahren.


Aaron und ich verstehen uns gut, aber er hat nie vorgehabt, einen Austauschschüler für ein ganzes oder halbes Jahr aufzunehmen. Er hat mich im August für begrenzte Zeit aufgenommen, weil die von YFU unbedingt noch Gastfamilien gebraucht haben. Er ist, ganz kurz gesagt, nicht der Meinung, dass eine Einzelperson der richtige Platz für einen Austauschschüler ist.


Mrs. Stiefel hat in der Schule angerufen und gefragt, ob’s hier jemanden gibt, der Interesse daran hat, meine neue Gastfamilie zu werden. Im entsprechenden Office sitzt Mrs. Schmale, und die hat’s wohl ihrem Mann erzählt. Ihr Mann unterrichtet Peer Mentoring. Und in Peer Mentoring sitzen Rachel und ich. Wenn ich das richtig sehe, und was Rachel mir so erzählt, wird das großartig. Jedenfalls reden wir uns im Moment spaßhalber als „brother“ und „sister“ an. Rachel hat noch eine Schwester, Julie. Umziehen werde ich schon diesen Samstag. Rachels Familie lebt nur ein paar Autominuten von hier, aber meine neue Adresse ist in Overland Park (der laut Wikipedia sechst-lebenswertesten Stadt in den Staaten^^).


Heute, 4. Oktober, hat mir Mrs. Hanks, Deutschlehrerin und beaufsichtigende Lehrperson des Deutschklubs, eine Einladung für ein Treffen während Seminar geschickt (10:36 bis 11:18 Uhr an Donnerstagen). Wir haben Bratwürstel („Brats“) und Hot Dogs gefuttert und ich hab mich mit Peter, dem ungarischen Austauschschüler, unterhalten. Und auch die dritte (und letzte) Austauschschülerin in Olathe East, Kathrin (oder so) aus Norwegen, hab ich kennen gelernt. Im Deutschklub dreht sich natürlich alles um Deutschland. Der Apfelsaft heißt „Sprudel“ oder „Schorle“, und was an Fahnen und Landkarten an der Wand hängt, hat die Farben Schwarz-Rot-Gold... Früher oder später werd ich den Kerlen eine Österreich-Fahne schenken. In den morning announcements (Jeden Tag gibt’s mehrere Minuten lang Ankündigungen über Lautsprecher, einmal die Woche gibt’s einen Videobericht über aktuelle Schulereignisse) wurde, weil diese Woche aufgrund der vielen Deutschstämmigen in Kansas unter dem Motto „German-American Week“ läuft, heute die vierte von fünf Deutsch-Quiz-Fragen durchgegeben: „What is the name of the Austrian exchange student in Olathe East?“ Die Frage dürfte für die Klubmitglieder nicht so schwer zu beantworten gewesen sein.