Tannen im Schnee

Es dämmert schon, als ich im Tiefschnee meine Staffelei aufbaue. Ich möchte gerne den kleinen Hügel mit dem eingeschneiten Holzhaus malen, der sich vor mir als weiße Halbkugel von der Dämmerung abhebt. Und die alten Tannen, die trotz der schweren Schneelast, die auf ihre Zweige drückt, ungebeugt und mächtig in den dunklen Himmel ragen.


Sie sind nicht einfach zu zu malen, aber darum bin ich ja hier. Ich will sie so malen, wie sie sind, und dazu muss ich sie erleben.
Vielleicht wollen sie auch gar nicht gemalt werden, die Tannen. Sie bewegen sich ein wenig im Abendwind, so, als wollten sie mich und mein Malgerät bekämpfen. Vielleicht sind sie über meine Leinwand erhaben.


Es ist kalt, sehr kalt sogar. Ich lege meinen Pinsel einen Augenblick zur Seite und reibe meine Hände aneinander. Dann hauche ich sie an. Meine Hände bleiben kalt. Ratlos schaue ich auf den Pinsel und die dunklen Farben auf der Leinwand.


Neben mir bemerke ich eine Gestalt im Schnee. Als sie näher kommt, entdecke ich, dass die Gestalt etwas hinter sich herzieht. Es ist ein alter Holzschlitten. Der Mensch, der sein Gesicht mit Schals dick vermummt hat, geht in meine Richtung. Ich höre den harten Schnee knirschen.


Vor mir steht ein alter Mann, der in einem dicken, aber schäbigen Pelzmantel steckt. Seine Augen blicken klar und wachsam aus einem Gewirr von abgetragenen Schals hervor. Er mustert meine blaugefrorenen Hände, bevor er sich bedächtig räuspert und mit heiserer Stimme fragt, ob er mir helfen kann.


Ich hauche noch einmal in meine Hände, dann blicke ich den alten Mann an, der mit seiner Kleidung und seinem Gefährt so ärmlich wirkt. Ich schüttle den Kopf. Mein abschätziges Lächeln gefriert in den Mundwinkeln. Der Alte wirft mir einen langen Blick zu, dann greift er nach dem Strick seiner Rodel und macht sich wieder auf den Weg. Schnell verschwindet er in der Dämmerung.


Es beginnt zu schneien, und ich greife wieder nach meinem Pinsel. Die Flocken erschweren mir den Blick auf den Hügel. Die Welt ist müde. Der Schnee deckt sie zu.


Ich bin auch müde. Aber ich will ja die Tannen malen. Ich setze den Pinsel an für eine Linie und ziehe sie nach unten, ganz weit nach unten… Der Pinsel entfällt meinen klammen Fingern und dann schließe ich meine müden Augen.


Ein angenehmes Glühen breitet sich in meinem Körper aus, dringt bis in meine kalten Finger. Sie werden herrlich warm und ich öffne die Augen. Ich liege neben einem alten Eisenherd, in dem ein Feuer prasselt, auf einer Ofenbank und blicke in das freundliche Gesicht des alten Wanderers. Er erzählt mir, dass er mich aus einiger Entfernung beobachtet habe. Für alle Fälle.


Er hat mir das Leben gerettet, aber ich komme nicht dazu, mich zu schämen, weil ich mich bei dem alten Mann so wohl fühle. Er nimmt einen Schürhaken, öffnet das Holzloch im Herd und wirft noch ein Scheit ins Feuer. Ein paar Funken springen aus der Öffnung.
Mein Gastgeber bittet mich, ihm noch eine Weile Gesellschaft zu leisten. Sie tue ihm gut, sagt er.


Und er erzählt mir vom Frühling.

Aber ich will ja die Tannen malen.
Aber ich will ja die Tannen malen.