Das Tüpfelchen auf dem Binnen-I

 

Vorbemerkung: Liebe Uni Wien! Ich hab dich in den vergangenen Jahren sehr schätzen gelernt. Die Professionalität, die mir im Master-Studium von allen Seiten begegnet ist, ist herausragend, wenn ich nicht bereits ausreichend verkopft wäre, würde ich sofort ein viertes Studium inskribieren. Was ich dir allerdings nicht verzeihen kann, ist, dass du mich ZWINGST, meine Master-Arbeit zu gendern. In diesem Text erkläre ich, warum das so ist.

 

Sicherheitshinweis: Ich bin nicht dagegen, dass ihr eure wissenschaftlichen Arbeiten gendert, wenn ihr das für sinnvoll haltet. Ich bin aber sehr dagegen, dass ihr mich zwingt, eurer Ideologie zu folgen.

 

*


Heute ist Donnerstag, und an Donnerstagen mach ich mich gerne unbeliebt. Deshalb erzähl ich euch heute, was ich von ideologisch motivierten Eingriffen in meine Muttersprache halte. Nämlich gar nichts.


Ich weiß nicht mehr genau, wann ich erstmals ein schlechtes Gewissen hatte, als ich das Wort „Studenten“ verwendete, aber es wird wohl zu Beginn meines ersten Studienjahrs gewesen sein. Das Wort „Studenten“ wurde abgeschafft, es logiert jetzt im tiefsten Uni-Keller im Wörterverlies und wartet auf seine Hinrichtung. Studenten heißen in unserem Zeitalter nämlich „Studierende“. Nur einem einfach gestrickten Landei wie mir konnte das bis zu Beginn dieses Jahrzehnts verborgen bleiben.


Von meinem neu erworbenen Wissen setzte ich meine Oma in Kenntnis, denn schließlich haben auch Pensionierende ein Recht auf aktuelle Informationen. Und es zeigte sich, dass meine Oma hier einen großen Wissensvorsprung hatte. Sie wusste nicht erst seit gestern, dass altgediente Wörter oft ganz plötzlich aus der Mode kommen, sondern schon seit 1939.


Damals, meine Großmutter besuchte in Baden die Volksschule, hatte man ihre Klassenlehrerin durch eine regimetreue deutsche Lehrerin ersetzt, und diese erklärte nun den Kindern, wie sie ihre Muttersprache ab sofort zu verwenden hatten: Die Kinder wurden aufgefordert, reihum Sätze zum Thema „Reisen“ zu bilden (Man reiste damals mit der Eisenbahn). Anschließend wurden die Sätze „bereinigt“: Statt „Billet“ mussten die Kinder nun „Fahrkarte“ sagen, der „Kondukteur“ wurde zum „Schaffner“ und das „Coupé“ zum „Abteil“. Erkennt irgendwer die Parallelen?


Mir persönlich ist es egal, ob die Ideologie, die mich dazu zwingen will, meinen Sprachgebrauch zu ändern, eine linke oder eine rechte ist. Als freier Mensch rede ich so, wie mir der Schnabel gewachsen ist, oder so, wie es mir gefällt. Meine Studienkollegen dürfen selbstverständlich dasselbe tun. Aber diejenigen Studienkolleginnen, die sich, wenn ich an der Uni ein ungegendertes Referat halte, „nicht angesprochen“ fühlen, können von mir aus brausen gehen.


„Sprache ändert sich“ wurde mir erklärt, und das tut sie tatsächlich. Aber das soll sie dann tun, wenn viele Leute aus freien Stücken anders sprechen, als sie es bisher getan haben. Und nicht dann, wenn sich eine durchgeknallte Elite zur Sprachpolizei aufschwingt. Zu einer Sprachpolizei, die unmissverständlich klarmacht, dass Seminararbeiten, in denen nicht gegendert wird, schlechter benotet werden – oder gar nicht!


Eine Dozentin am Zentrum für Translationswissenschaft ließ uns einmal einen Kommentar schreiben und merkte an, dass wir ruhig provokant sein dürften. Ich schrieb also, weil die Dozentin zur Gender-Riege des Instituts gehörte, einen kleinen, freundlichen Text mit dem Titel „Warum das Binnen-I keiner braucht“.


In der nächsten Einheit sollten wir die Texte zunächst unseren Sitznachbarn vorlesen. Ich hatte ins Schwarze getroffen, denn das Herz meiner Sitznachbarin schlug für das Binnen-I: Sie war eine Verfechterin der „gendersensiblen Ausdrucksweise“, wie das am Institut genannt wurde und gehörte zur Gruppe derjenigen, die es schafften, in jeder Lehrveranstaltung früher oder später einen Bezug zur Gender-Thematik herzustellen (Eine von denen schnaubte jedes Mal, wenn das Wort „Mann“ fiel, laut durch die Nase). Meine Sitznachbarin war sehr empört, aber unsere Diskussion war wenig aufschlussreich. Und die Gefühle der – von mir sehr geschätzten – Dozentin hatte ich ebenfalls verletzt.


Ein paar Wochen später mussten wir wieder einen Text verfassen. Am Gendern führte diesmal kein Weg vorbei, also beschloss ich, unserer Dozentin eine Freude zu machen, und packte ungefähr ein Dutzend Binnen-Is in meinen Text. Woraufhin sie mich fragte, warum ich das getan hätte: Wenn mir das Binnen-I nicht zusage, hätte ich mich doch für eine andere Variante des Genderns entscheiden können. Ich war entzückt und erklärte ihr, dass ich auch zu den anderen Formen des Genderns kein Naheverhältnis pflege, weshalb es nicht zielführend sei, auf diese auszuweichen. Das Leben ist eben nicht so einfach.


Ich habe ein Problem damit, wenn die Sprache, mit der ich aufgewachsen bin, plötzlich „böse“ ist. In meiner Kindheit habe ich sehr viele Bücher gelesen, und wenn darin von „Studenten“ die Rede war, habe ich stets an Frauen und Männer gedacht. Trotz meiner kindlichen Naivität war mir immer klar, dass sich das Wort „Studenten“ auf beide Geschlechter bezieht. Kein Witz! Ich hatte die deutsche Sprache und ihre Grammatik voll durchschaut.


Bei „Maschinenbaustudenten“ hätte ich allerdings vermutlich eher an Männer gedacht. Daran hat sich seit damals nichts geändert, und solange mir keine Maschinenbaustudentin über den Weg läuft, werden auch die Wörter „Maschinenbaustudierende“ und „MaschinenbaustudentInnen“ nichts daran ändern. „Sprache schafft Wirklichkeit“ wurde mir erklärt, aber das ist in meinen Augen Blödsinn. Sprache hat nämlich gar nicht die Aufgabe, Wirklichkeit zu schaffen. Sprache hat seit jeher die Aufgabe, Wirklichkeit abzubilden! Oder, um es mit den Worten von George Carlin zu sagen: Wenn du einem Zustand einen anderen Namen gibst, ändert das nichts an dem Zustand.


Abgesehen davon, dass ich mir nicht vorschreiben lasse, wie ich meine Muttersprache zu verwenden habe (Ich schreibe es euch ja auch nicht vor), stören mich Binnen-I, Gendersternchen und Doppelnennung beim Lesen, Schreiben, Sprechen und Zuhören. Sie sind redundant, denn es ist auch ohne sie klar zu erkennen, was gemeint ist. Wenn ein Binnen-I vorgelesen wird, ist das manchmal gar nicht mehr klar. Die Partizipienflut, die sich derzeit durch die Hörsäle der Uni Wien ergießt, ist der deutschen Sprache, die sich über viele hundert Jahre entwickelt hat, ebenfalls fremd. Das klingt zutiefst unnatürlich. Von neuen Wörtern wie „Menschin“, die von Germanistik-Dozenten (!) eiskalt erfunden werden, will ich gar nicht anfangen, denn das ist in meinen blauen Augen pathologisch.


Die weiteren Aussichten? Ich hoffe, dass ich mich wenigstens von der Unterhaltungsliteratur noch längere Zeit genderfrei unterhalten lassen kann. Und wenn das irgendwann nicht mehr der Fall sein sollte, wenn sich im fliegenden Klassenzimmer „Lernende“, „SchülerInnen“ oder „Schülerinnen und Schüler“ tummeln (Was übrigens eine Verfälschung des Originals wäre), dann könnt ihr mich alle gern haben… Dann les ich nur mehr die alten Bücher in der Bibliothek von meiner Oma oder ich schreib selber welche: Über Ideologien, die die Welt nicht braucht.
 

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Wenn schon, dann ordentlich! Ich fordere ein eigenes Sternchen für jedes der 50 von facebook anerkannten Geschlechter! =)
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Kommentar von N. (E-Mail):

Nur damit das klar ist, ich bin weder Misanthrop noch Frauenfeind und schon gar kein Gegner von Minderheiten etc. etc. Im Gegenteil, ich gebe in der Regel Ruhe und habe auch selbst gerne welche. Ein Punkt, der mich aber geradezu aufbringt und beleidigt, ist der oktroyierte Neusprech, den Sie hier so treffend kritisieren. Ich habe mit vielen Menschen zu tun und das bewusste Thema kommt auch öfter auf den Tisch. Eigentlich sind fast alle, die ich kenne entweder entschiedene Gegner dieser Verrenkungen oder mindestens verärgert über das versuchte freche Diktat eines irrsinnig anmutenden Klüngels. Ich glaube sogar, dass das Vorantreiben dieses Unsinns ein wichtiger Faktor für den Wahlausgang auf Bundesebene war, für manche schon sehr satten Zeitgenossen ein Zünglein auf der Waage, endgültig nicht mehr grün oder rot zu wählen. Die Parteien des Spektrums links der Mitte scheinen darauf keinen Gedanken zu verschwenden, was mich sehr irritiert. Meine Frage an Sie ist nun, ob Sie bereits irgendwelche Initiativen kennen, die hier einen Volksentscheid herbeiführen wollen oder diesem Auswuchs gemeinsam entschieden entgegentreten wollen, z.B. mit dem durchzusetzenden Recht, die Muttersprache nach traditionellen Gesichtspunkten anwenden zu dürfen, ohne sich eine Schlechterstellung einzuhandeln? Wichtig ist mir daran, dass das explizit nicht in der rechten Ecke angesiedelt sein möge, sondern von einem Humanismus getragen sei, der in erster Linie das Einfordern individueller Grundfreiheiten gegen jedwede Diktatur irgendwelcher Klüngel zum Ziel haben soll.