Die Müllfresser Story (oder: Ich hasse es)

"Opa", fragten Thomas und Angelika, "Warum bringst du das Essen heute in einem Mistkübel?"

Der Großvater fuhr sich durch die grauen Haare. "Weil es Junkfood ist, Kinder."
"Was ist Junkfood?" riefen die beiden Kinder im Chor.


Der Großvater putzte seine Brille mit einem riesigen, karierten Taschentuch und musterte seine Enkel ernst. "Ich weiß nicht", murmelte er nachdenklich in seinen Bart, "Ob ihr schon alt genug seid, um die ganze Wahrheit zu ertragen."
"Natürlich sind wir alt genug!" schrien Thomas und Angelika empört.


Ihr Opa räusperte sich und begann: "Na schön, Kinder. Ich werde euch eine kleine Geschichte erzählen. Aber wenn sie zu Ende ist, wird brav aufgegessen!" Der Großvater hob an zu sprechen und gab den Geschwistern Einblick in eine dunkle Zeit: In die Zeit, in der das Junkfood erfunden wurde.

Es war ein wunderschöner Tag in Amerika. Die Sonne schickte ihre ersten schwachen Strahlen über die ausgedörrten Rinderweiden, die Freiheitsstatue stierte trübsinnig in Richtung Europa und die letzten Revolverhelden waren dabei, sich gegenseitig in ihre Einzelteile zu zerlegen. Klein Ronald und Klein Donald hatten Hunger. Sie fragten nicht erst ihre Eltern, ob sie das durften, sie gingen einfach gemeinsam weg. Ihren Eltern war das völlig recht, sie hätten es ohnehin am liebsten gesehen, wenn die kleinen Satansbraten unter der nächsten Limousine ihr Leben ausgehaucht hätten. Klein Ronald und Klein Donald waren nämlich sogar für amerikanische Verhältnisse ziemliche Teufel und voll von krankhaften Wahnvorstellungen und absurden Ideen.


Ronald war klein, hässlich, und trug eine Brille mit dicken Gläsern. Dieses Gerät war bei Schönwetter überaus nützlich, weil man damit Leute wunderbar blenden konnte. Donald war auch klein und hässlich, der Unterschied zu Ronald bestand darin, dass er fett war, geradezu widerlich fett. Das war damals noch ungewöhnlich, sogar für Amerika. Vielleicht habt ihr schon erkannt, dass Ronald der Sadist des Duos war und Donald der Fresssack.


Weil sie wirklich großen Hunger hatten, wählten sie für ihren Imbiss die nächstgelegene Möglichkeit, eine an ihr Haus angrenzende Schweinefarm. Hier schwabbelten die appetitlichsten Eber herum, quiekten die köstlichsten Ferkel und fraßen die fettesten Säue. Direkt hinter der Umzäunung grunzte ein großes Muttertier vor sich hin. "Schnitziiii!" brüllte der kleine Donald glückselig und stürzte sich mit bloßen Händen auf die Sau.

Der Großvater nickte versonnen. "Zweieinhalb Käse hoch war er." Die Kinder lauschten andächtig und ihr Opa fuhr fort.

Donald sprang auf das Tier, krallte sich in seinen Bauchspeck und schlug seine schwefelgelben Zähne hinein. Die Sau quiekte entsetzt und lieferte Klein Donald einen verbissenen Kampf. Aber da kam Klein Ronald seinem Bruder gabelschwingend zur Hilfe gerannt, zerfetzte mit seinen spitzen Fingernägeln das Tier und begann, an den zerfetzten Innereien der Sau zu knabbern. Die nächste halbe Stunde waren diese elenden Aasgeier damit beschäftigt, das arme Schwein mit Stumpf und Stiel zu verspeisen. Donald brauchte seine Hände nicht dazu, nur seine Zähne.

"Widerliche gelbe Stummel!" rief der Großvater voller Abscheu und schneuzte seine ganze Verachtung für Klein Donald in sein kariertes Taschentuch. "Kinder, putzt euch zweimal täglich die Zähne! Und nehmt euch kein Beispiel an diesen Bastarden!"
"Nein, nein", versicherten Thomas und Angelika eifrig. "Das tun wir ganz bestimmt nicht, Opi!"
Der Großvater musterte misstrauisch den Flickenteppich am Boden, als wollte er sicher gehen, dass er nicht aus Schweineinnereien bestand, und stieß verächtlich mit der rechten Faust gegen den Mistkübel. Dann nahm er den Faden wieder auf.

Die Jahre vergingen, die Schweine starben, und dann kam der Tag, an dem sich Klein Ronald und Klein Donald, die jetzt schon ziemlich groß waren, nach einem Job umsehen mussten. Donald, der Fresssack, entwickelte in seinem kleinen Hirn eine Idee, und sie war wahrhaft barbarisch. Klein Ronald bleckte anerkennend seine Zahnstümpfe, als sein Bruder ihm die Idee in eines seiner kleinen, hässlichen Ohren flüsterte. Die Eltern der beiden kauften ihnen ein leerstehendes Gasthaus, änderten ihren Namen und hatten dann endlich nichts mehr mit ihren missratenen Söhnen zu tun.


Die Brüder gründeten am selben Tag ihr erstes Lokal. Sie servierten Junkfood, Tiere, die sie mit Zähnen und Fingernägeln getötet und zerfetzt hatten. Viele Gäste starben. Aber es hatte für die Leute einen ganz besonderen Reiz, bei der Ankunft im Junkfood-Lokal von Ronald und Donald nicht zu wissen, ob sie es wieder lebend verlassen würden. So war der Siegeszug von Ronald und Donald nicht mehr aufzuhalten. Die Brüder eroberten Amerika und schließlich die ganze Welt.

Der Großvater seufzte. "Das Essen ist von Ronald und Donald und ist in diesem Kübel, weil es Müll ist. Ich halte es für wichtig, solches Elend auch am eigenen Leib zu erfahren. Guten Appetit, Kinder!" Angelika und Thomas verzogen angewidert das Gesicht, nahmen den Mistkübel in die Mitte und gingen nach draußen.

(pixabay.com)
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